Liebe und andere Parasiten
erwies sich als zierliche, hübsche junge Frau, knapp einundzwanzig, die neben Huru zwei eigene kleine Kinder zu versorgen hatte. Bec gegenüber verhielt sie sich freundlich und unterwürfig; Batini begegnete sie abwehrend.
»Der Impfstoff wird die Kinder nicht völlig schützen«, erklärte Bec Eshe mithilfe von Batini, die übersetzte. »Sie müssen unter Netzen schlafen, und ihr müsst ständig nach den Netzen sehen.«
Das Dorf hatte keinen Handyempfang. Die nächste Möglichkeit war auf einem Hügel, der zu Fuß über die Waldstraße zwei Stunden entfernt war. Nachdem Huru erkrankt war, sagte die Familie Batini erst Bescheid, als die Krämpfe so schlimm wurden, dass seine Großmutter ihn dem traditionellen Heiler wegnahm und zu Fuß zur nächsten Klinik trug. Batini bekam den Anruf mitten in der Nacht, als Akila ihn schon ein Drittel des Weges getragen hatte und auf dem geliehenen Telefon der erste Signalbalken erschien. Bec, die eigentlich nach London fliegen wollte, wurde um zwei Uhr nachts vom Jammern ihrer Haushälterin geweckt. Bec weckte ihrerseits einen der Fahrer, und gemeinsam brachen sie und Batini zur Klinik auf.
Die Fahrt dauerte sieben Stunden. Die Frauen unterhielten sich in der Dunkelheit und mussten die Köpfe ganz dicht zusammenstecken, um sich über dem Lärm zu verstehen, den der Wagen auf dem rauen Teerbelag machte.
Akilas SMS -Nachrichten informierten Batini darüber, dass Hurus Vater sich irgendwo im Norden aufhielt. Huru habe Degedege, simste Akila, aber durch den Heiler sei es nicht besser geworden, deshalb habe sie den Jungen in die Klinik gebracht.
»Sie sagt, es ist Degedege, nicht Malaria«, sagte Batini im Auto zu Bec und fuchtelte hilflos mit dem Telefon.
»Sie haben ihn zum Heiler gebracht?«, fragte Bec. »Der Heiler hat Elefantendung verbrannt und solche Sachen? Kräuter?«
»Ich weiß nicht.« Batini schniefte und lehnte sich mit der Schläfe ans Fenster. »Sind Degedege und Malaria dieselbe Krankheit?«
Bec antwortete nicht, und Batini schaute sie an und sagte: »Ist Degedege Malaria?«
»Ja«, sagte Bec.
Batini schlang mit leisem Wimmern die Arme um sich und krümmte sich zusammen. Bec legte ihrer Haushälterin die Hand auf den Rücken.
»Es war richtig von Akila, ihn zur Klinik zu bringen«, sagte sie.
»Es ist zu weit weg«, sagte Batini dumpf mit dem Gesicht im Schoß.
Später schlief Bec neben Batini ein, die Wange an ihre Rippen gelehnt, und träumte, dass sie einen Jungen bei Nacht durch einen Wald trug. Der Mond beleuchtete ihren Weg und ließ die Schlaglöcher und losen Steine auf der Fahrbahn deutlich hervortreten. Am Horizont flackerten Blitze, und die Vogeltöne, die aus dem Mund des Kindes kamen, wurden leiser, bis sie sie über dem Klatschen ihrer Flipflops auf der Piste kaum mehr hören konnte. In ihrem Traum bekam Bec es mit der Angst zu tun, tauchte die Hand in einen Bach und versuchte, den Jungen zu bewegen, an ihren nassen Fingerspitzen zu nuckeln. Er wollte nicht nuckeln, und sie befeuchtete seine trockenen, klebrigen Lippen. Er bewegte den Kopf, fing an zu husten und machte den Mund auf, und Bec sah einen Schnabel aus seinem Hals hervorkommen und danach die glitzernden Augen und den Kopf und Hals eines Reihers. Sie wachte mit pochendem Herzen auf.
Es war Tag. Die Sonne war noch nicht lange aufgegangen, und das weiche goldene Licht auf ländlichen Betonmauern und Blechdächern und Bananenbäumen ließ es Bec unvorstellbar erscheinen, dass jemand, der noch gelebt hatte, als sie im Dunkeln eingeschlafen war, gestorben sein konnte.
Sie lobte den Fahrer dafür, dass er wach geblieben war, und er sagte, das sei doch gar nichts und sie hätten die Klinik schon fast erreicht. Ein seltsames hohes Geräusch war zu hören. Bec drehte sich um und sah, dass es von Batini kam, die sich in der Ecke des Wagens zusammengekauert hatte, das Gesicht in ihren Tüchern verborgen. Bec berührte ihre Schulter, und Batini hob den Kopf und schaute sie an. Der Mund in dem nassen Gesicht stand offen, und heraus kam ein stetiges hohes Stöhnen. Sie sagte ein paar Worte in Swahili und schlug sich mit dem Telefon auf den Schenkel. Sie warf das Telefon auf den Boden des Autos und schrie und wand sich heftig hin und her, drosch mit den Fäusten auf die Rückseite des Fahrersitzes ein und versuchte, mit Händen und Zähnen ihr grobes Baumwollkleid zu zerreißen.
26
Als Bec im Dorf ihren Teller mit dem Leichenschmaus leer gegessen hatte, Ugali mit Eintopf, war es dunkel. Sie
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