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Liebe und andere Parasiten

Liebe und andere Parasiten

Titel: Liebe und andere Parasiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Meek
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nie so lang sein, dass wir damit glücklich sind«, sagte Alex. »Wir können nur ewig leben, wenn wir uns sukzessive ersetzen lassen.«
    »Können wir uns alle ersetzen lassen?«
    Alex’ Wangen brannten. »Ich arbeite daran«, sagte er.
    »Du hast mir erzählt, du hättest den Schlüssel zur Unsterblichkeit gefunden.«
    »Ich habe mich hinreißen lassen. Ich habe gesagt, ich hätte den Schlüssel zur Unsterblichkeit gesehen , nicht ihn gefunden .«
    »Selbst ein Wiesel täte sich schwer, durch dieses semantische Loch zu schlüpfen. Du dachtest, du sagst mir mal was Nettes, weil ich dir erzählt habe, dass ich demnächst ins Gras beiße. Du dachtest, ich nibbele ab, bevor ich deinen verdammten Aufsatz gelesen habe.« Harry setzte ein zuckersüßes Lächeln auf und neigte den Kopf. »Du könntest doch an deinen Aufsatz noch eine letzte Bemerkung anhängen, nur einen Wink mit dem Zaunpfahl: ›… und vermag, den menschlichen Alterungsprozess zu verzögern oder aufzuheben.‹ Laufen deine Erkenntnisse nicht genau darauf hinaus?«
    »Vielleicht, wenn der ganze Planet eine Generation lang an nichts anderem arbeiten würde.«
    »Du tust so, als würde Ruhm dir gar nichts bedeuten, aber ich weiß, dass du stolz bist«, sagte Harry.
    »Hörst du denn nie auf zu lavieren?«, sagte Alex.
    »Ich kann nicht anders«, sagte Harry. »Stark sein zu wollen, nach Vorteil und Ruhm zu streben, das sind natürliche Instinkte. Die Menschen werden damit geboren. Sie machen Menschen erst zu Menschen. Dadurch merken sie, dass sie in die Welt gehören.«
    »Ich bin nicht wie du.«
    »Ich denke nur laut«, sagte Harry milde. »Was auch geschieht, du entscheidest immer noch selbst. Was die menschlichen Instinkte betrifft, so hat man sie entweder oder man hat sie nicht. Ich dachte immer, du wolltest im großen Rhythmus des Lebens mitschwingen und kein Sonderling sein. Es liegt an dir. Warum nicht Ruhm erlangen? Warum nicht König sein?«
    Gerasim ließ ein hohes, durchdringendes Kläffen hören, und Harry beruhigte ihn.
    »Er will immer im Mittelpunkt stehen«, sagte Harry. »Na komm, ein letzter Gefallen. ›Und vermag den menschlichen Alterungsprozess zu verzögern oder aufzuheben.‹«
    »Wenn Nature das bringt, werden die Zeitungen schreiben: ›Wissenschaftler finden den Jungbrunnen.‹ Und ich habe ihn nicht gefunden, und ich will nicht ewig leben.«
    »Ein ewiges Rentnerdasein wäre verdammt lang«, sagte Harry und zog scharf an Gerasims Leine. »Aber ich bin noch nicht mal fünfundsechzig. Ich bin zu jung, um zu sterben.«
    25
    Am selben Abend in einem Dorf im Wald südlich von Iringa, einen halben Tagesmarsch von der nächsten Asphaltstraße entfernt, war der dreijährige Sohn von Batini, Becs Haushälterin in Tansania, krank. Keuchend und schlotternd und Töne wie ein Vogel ausstoßend, lag Huru auf einer Decke auf einem Bettgestell aus Holz und Rohr. Seine Haut war feucht und heiß, und seine Augen waren glasig. Batini war nicht bei ihm; sie war mit Bec am anderen Ende des Landes.
    Hurus Vater hatte Batini bald nach der Geburt des Jungen in der Stadt sitzen lassen und war mit ihm in sein Heimatdorf zurückgekehrt. Er heiratete eine andere Frau. Batini schickte Geld und besuchte ihren Sohn, wenn sie konnte, wohl wissend, dass Eshe, die Stiefmutter, Huru mit argwöhnischen Augen betrachtete. Eshe hatte eigene Kinder. Sie sei nicht böse, erzählte Batini Bec, nur eine unwissende Frau vom Lande, die glaubte, Huru sei von den Dämonen der Stadt mit Kälte geschlagen. Hurus Vater nahm das Geld, das Batini für den Jungen schickte, und vertrank und verjuxte es mit Barmädchen, statt sich in Mbeya nach Arbeit umzuschauen, wie er eigentlich sollte.
    »Warum lässt dein Ex Huru nicht bei dir leben?«, fragte Bec, als Batini ihr die Geschichte erzählte.
    »Er hat seinen Sohn lieber hungrig bei sich zu Hause als wohlgenährt bei mir«, sagte Batini. »Seine Großmutter Akila, die Mutter meines früheren Mannes, liebt Huru. Sie hilft ihm.«
    Das Dorf gehörte eigentlich nicht zu den Orten, die Bec für ihre Impfstoffversuche ausgewählt hatte, aber es lag von diesen nicht weit entfernt, und so hatte sie es mit in die Liste aufgenommen. Sie war sechs Monate zuvor mit Batini und dem Impfteam dort gewesen und hatte den Sohn ihrer Haushälterin kennengelernt. Huru weinte nicht, als die Nadel ihn pikte. Das Gefühl, verraten zu sein, huschte kurz über sein Gesicht, und er drückte den Daumen seiner Mutter. Bec lernte die Stiefmutter kennen. Eshe

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