Liebe und andere Zufalle
blieb noch immer stumm; Bink hatte drei Stückchen Karotte gegessen und ihr Weinglas geleert; und Min hatte genug von allem.
Sie legte ihre Serviette neben ihren Teller und erklärte: »Wissen Sie, eigentlich hat mich ja Harry eingeladen, deswegen möchte ich ihm, wenn Sie mich entschuldigen wollen, noch ein bisschen Gesellschaft leisten.« Sie erhob sich und ging in die Eingangshalle hinaus, um die Küche zu suchen.
Als sie sie fand, aß Harry unter den wachsamen Augen der Frau, die ihnen das Abendessen serviert hatte, gerade die Reste seines Eisbechers.
»Hey, Fischmann«, rief sie. »Gibt's da vielleicht noch etwas für mich?«
Harry nickte der Frau zu. »Das ist sie, Sarah.«
»Ah«, machte Sarah und betrachtete Min von oben bis unten. »Was hätten Sie denn gern auf Ihrem Eis?«
»Schokolade«, antwortete Min und setzte sich Harry gegenüber an den Tisch. »Schokolade ist immer gut.«
Harry kratzte mit dem Löffel die Reste aus seiner Dessertschüssel, saß dann da und betrachtete Min schweigend, ebenso eulenhaft wie seine Mutter, bis Sarah ebenfalls eine Dessertschüssel mit Eis vor Min hinstellte. Mit sehr viel Eis.
»Vielen Dank«, sagte Min erschrocken. »Ich heiße übrigens Min.« Sie streckte der Frau ihre Hand entgegen.
»Sarah«, erwiderte die Frau und schüttelte ihr die Hand. »Essen Sie, bevor es schmilzt.«
Min nickte und nahm einen Löffel voll. Das Eis schmeckte himmlisch, sahnig und mild, und die Schokolade war köstlich leicht und bittersüß. Das musste sie Lynne Morrisey lassen: Sie setzte ihren Gästen ein ausgezeichnetes Essen vor.
Sarah lehnte sich mit der Hüfte gegen das Spülbecken. »Sie haben also der Schneekönigin widersprochen?«
Min überlegte, ob sie so tun sollte, als verstünde sie nicht, zuckte aber dann nur die Achseln. »Ich war nicht einer Meinung mit ihr.«
Sarah nickte. »Sie werden nicht wiederkommen.«
»Um Gottes willen, nein«, erwiderte Min.
Harry legte erschreckt seinen Löffel nieder. »Aber du kommst doch noch in den Park?«
»Natürlich«, versicherte ihm Min. »Obwohl ich nicht weiß, ob dein Onkel Cal noch mit mir spricht.«
»Er scheint mir ein netter Mensch zu sein«, meinte Sarah. »Sehr ruhig. Wir sehen nicht viel von ihm.«
»Kann ich mir vorstellen«, sagte Min, da betrat Cal die Küche. »Hallihallo«, rief sie und winkte ihm mit dem Löffel zu. »Anscheinend versteht deine Mom auch viel von Eiscreme.« Was, recht besehen, nicht weiter verwunderlich schien.
Cal nickte ausdruckslos. »Können wir fahren?«
Min warf einen Blick auf ihre Schüssel voll erstklassigem Zucker und Fett und seufzte. »Ja«, antwortete sie gehorsam und legte ihren Löffel weg. Wenn sie Cal wäre, würde sie auch schreiend von hier fortlaufen.
Cal verschwand in die Eingangshalle, und Harry bettelte: »Kann ich dein Eis haben?«
»Wird es dir denn wieder hochkommen?«, fragte Min zurück.
Harry schüttelte den Kopf. »Eiscreme nicht.«
Min schob ihm die Schüssel zu. »Na dann hau rein.« Sie erhob sich. »Hab mich gefreut, Sie kennen zu lernen, Sarah.«
»Ebenfalls«, erwiderte Sarah. »Alles Gute.«
Sie schloss sich Cal in der Halle an, und er öffnete ihr schweigend die Tür. Sie waren schon bei den Stufen angelangt, da erschien Bink in der Tür. »Na?«, fragte sie Cal.
Cal antwortete mit einem Kopfschütteln, und sie lächelte Min an und sagte: »Es war wirklich nett, Sie wieder zu sehen«, und es klang, als meinte sie es ernst. Dann schlüpfte sie wieder ins Haus, und Cal wandte sich ab und ging die Stufen hinunter. Min folgte ihm und war sich sicher, dass ihr eine Auseinandersetzung bevorstand.
Nun ja, sie bereute nichts. Sie rutschte auf den Beifahrersitz von Cals Wagen und machte es sich in dem Leder bequem. Na ja, das Auto würde sie vermissen. Und auch die gemeinsamen Essen, obwohl sie natürlich auch alleine zu Emilio's gehen konnte. Und …
Cal stieg ein, knallte die Tür zu und saß dann einen Augenblick reglos da. Min warf einen Blick auf sein starres Profil und dachte: Und dich. Dich werde ich vermissen .
»Was wollte Bink denn?«, fragte sie in dem Versuch, hinauszuzögern, was immer ihr bevorstand.
Cal wandte sich ihr zu, und als er sprach, lag so viel Anspannung in seiner Stimme, dass sie ihm fast brach. »Es tut mir so Leid.«
»Was?«, stieß Min verblüfft hervor.
»Meine Familie.« Er schloss die Augen und erklärte dann zornig: »Sonst benehmen sie sich Fremden gegenüber immer anständig .«
»Ich glaube, ich war nicht ganz
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