Liebe und andere Zufalle
Schultern. »Na schön. Dann muss Brian es ihr eben bringen.«
»Nein«, widersprach Cal, »ich bringe es ihr. Beeile dich, ja? Ich sterbe vor Hunger.«
6
Eine Dreiviertelstunde später stieg Cal die Stufen zu Mins Haus hinauf, als plötzlich etwas Kleines, Orangefarbenes an ihm vorbeiflitzte und ihn beinahe zum Straucheln gebracht hätte. Vorsichtig setzte er seinen Weg fort, aber als er sich vor der Haustür umblickte, war da nichts. Er klingelte, und Bon-nie erschien an der Tür.
»Hallo«, sagte er. »Min hat den Heimservice bestellt.« Er hob den Karton in die Höhe und kam sich sehr dumm vor, ein Gefühl, das er hasste.
»Und Sie liefern es aus?«, erkundigte sich Bonnie und trat zur Seite.
»Na ja, ein bisschen Taschengeld nebenher kann man immer gebrauchen«, gab Cal zur Antwort und steuerte die Treppe an, wobei er ihren Blick auf sich fühlte. Als er auf dem obersten Absatz ankam, hörte er durch Mins Wohnungstür Elvis Presley, der »Heartbreak Hotel« sang. Er seufzte.
Min blickte überrascht drein, als sie auf sein Klopfen hin die Tür öffnete, und auch er war ziemlich überrascht, denn soweit er erkennen konnte, trug sie nichts als ein überlanges, verwaschenes, blaues Sweatshirt und dicke alte Socken. Ihr Haar hing in zerzausten Wellen auf ihre Schultern herab, und sie trug keinerlei Make-up, so dass die einzige Farbe in ihrem Gesicht der langsam verblassende gelbe Fleck auf ihrem Auge war, wo sein Ellbogen sie getroffen hatte.
»Zum Teufel!«, rief sie aus. »Wie bist du hier hereingekommen?«
»Begrüßt du so jeden Lieferanten?«, gab Cal zurück, den Blick auf die gut geformten, kräftigen Beine gerichtet, die ihm bereits an jenem Freitagabend in der Bar aufgefallen waren.
»Nein, so begrüße ich Bonnie«, erwiderte Min. »Hör auf zu glotzen. Ich habe da drunter Shorts an.« Sie lüpfte einen Zipfel ihres riesigen Sweatshirts, und er erspähte eine ausge beulte, karierte Strandhose, die kaum weniger hässlich war als ihr Hemd und ihre Socken. »Und wieso bist du hergekom men?«
In diesem Augenblick flitzte etwas Kleines, Orangefarbenes an ihrer beider Beine vorbei und in die Wohnung hinein.
»Was war denn das ?«, fragte Min erschreckt, und Cal trat ein und ließ die Tür offen stehen.
»Ich weiß nicht.« Cal stellte Emilios Karton auf einem uralten, gusseisernen Nähmaschinentisch ab, neben dem sich eine Couch befand, die wie ein mottenzerfressener, ausgestopfter Kürbis wirkte. »Es ist auf den Stufen draußen an mir vorbeigerannt …«
»Oh Gott «, stöhnte Min, und Cal drehte sich schnell um. Da hockte das räudigste Vieh, das er je gesehen hatte, auf der hinteren Ecke der Couch und starrte sie finster an - mit einem Auge, denn das linke Auge war geschlossen. Es war über und über braun und orangefarben gefleckt, so dass es insgesamt gut zur Couch passte.
»Was zum Kuckuck ist das?«, fragte Min nochmals.
»Ich glaube, es ist eine Katze«, antwortete Cal.
»Was für eine Sorte denn?«, erkundigte sich Min mit schreckerfüllter Faszination in der Stimme.
»Keine gute Sorte«, versetzte Cal. »Obwohl du ja gesagt hast, dass du eine möchtest.«
»Nein, habe ich nicht«, widersprach Min.
»Als ich dich vergangene Woche nach Hause begleitet habe«, beharrte Cal, »sagtest du, du wolltest dir eine Katze zulegen.«
»Das war ein Scherz «, entgegnete Min und behielt die Katze wachsam im Auge. »Das sagt jede Frau über dreißig, die von den Männern die Nase voll hat. ›Ich hab endgültig genug von den Kerlen. Lieber lege ich mir eine Katze zu.‹ Ein Kli schee .«
»Tja weißt du«, meinte Cal und beobachtete ebenfalls die Katze, »du musst mich eben vorwarnen, wenn du einen Code verwendest.«
Die Katze hockte reglos da, daher ließ Cal seine Blicke durch die Wohnung schweifen. Sie schien den gesamten Dachboden einzunehmen, mit verrückten schiefen Winkeln und Mansardenfenstern, und sie war mit alten Möbelstücken eingerichtet, die aber allesamt keine wertvollen Antiquitäten darstellten. Stirnrunzelnd dachte er: Das passt eigentlich nicht zu ihr .
Min betrachtete die Katze verblüfft mit schief gelegtem Kopf. »Warum ist das eine Auge geschlossen?«
»Ich vermute, das eine Auge fehlt«, meinte Cal.
»Das Leben ist hart, Katze, was?«, seufzte Min. »Ich habe Hühnerfleisch übrig. Ich wollte das Huhn in Marsala zubereiten und hab's verdorben. Vielleicht ist die Katze hungrig genug, um's zu fressen.«
»Wenn du sie fütterst, bleibt sie für immer bei dir«, warnte
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