Liebe und Marillenknödel
Eigeninitiative, also, was soll’s. Und die Gaststube sieht jetzt wirklich klasse aus, richtig hell und freundlich. Da ist das ganze Haus so geputzt, wie es meine Wohnung in Hamburg nicht mal war, wenn meine Eltern zum Kaffeetrinken kamen – und keiner ist da, der es bewundern könnte. Nur mein Vater hat vor ein paar Tagen angerufen und mir versprochen, sie würden mich ganz bestimmt einmal besuchen kommen, doch es könne noch ein bisschen dauern, bis er meine Mutter so weit habe.
Jetzt mal ehrlich, eine strahlend saubere Pension zu führen, in die keine Gäste kommen – das ist ein bisschen so, als würdest du einen besonders verruchten La-Perla- BH tragen, und niemand linst dir in den Ausschnitt. Vergeblich, und irgendwie auch armselig, oder?
Na ja, was soll’s. So habe ich schließlich meine ganze Pubertät verbracht und bin auch nicht gestorben.
Oder jeden Tag nur ein bisschen …
Apropos sterben. Neulich bin ich auf die glorreiche Idee gekommen, endlich einmal die Umgebung zu erkunden. Was bin ich für eine Pensionswirtin, dachte ich, wenn ich von den umliegenden Bergen so viel Ahnung habe wie Papst Benedikt von Push-up Bras? Also habe ich mir meine Wanderkarte geschnappt und mir eine Strecke herausgesucht, die nach einer schönen Runde aussah. Ich bin in meine Chucks geschlüpft und losmarschiert, ein Pfeifen auf den Lippen.
Eine Stunde später war ich zurück.
Vielleicht wird das tragische Ausmaß meiner Situation noch deutlicher, wenn man sich klarmacht, dass ich nicht einfach nur umsonst einen Haufen Geld für Renovierungsarbeiten und Werbung ausgegeben habe, sondern Stunden und Tage auf Gäste gewartet hab – mit vier fetten Blasen an den Füßen.
Leider machen nicht einmal meine hauswirtschaftlichen Fähigkeiten Fortschritte. Wäsche waschen, nur mal so zum Beispiel. Kann doch eigentlich jeder. Ist ja auch nicht besonders schwer! Klar, es gehört nun nicht gerade zu meinen Schlüsselkompetenzen, und in Hamburg hat sich Frau Kontopoulos um die Wäsche gekümmert. Aber das heißt ja nicht, dass ich nicht wüsste, wie man eine Waschmaschine bedient. Klappe auf, Wäsche rein, Waschmittel rein, Temperatur wählen, Programm wählen, den Startknopf drücken. Ich bin mir da deshalb so sicher, weil ich Frau Kontopoulos vorher extra noch einmal angerufen habe.
Aber als ich die durchgelaufene Ladung aus der Maschine holen wollte, war alles rosa. Alles. Und es war eine große Waschmaschine, und damit auch eine große Ladung. Bettwäsche, mehrere Handtücher, sogar mein Unterhemdchen – rosa. Dabei habe ich nur ein einziges andersfarbiges neues T-Shirt mitgewaschen, was ich nicht getan hätte, wenn ich es nicht unbedingt ganz dringend gebraucht hätte. Das T-Shirt war aber gar nicht rot, sondern hellblau! Es ist mir wirklich ein Rätsel. Die Leine, die quer über den Hang gespannt ist, und auf der sonst so rein und schön die weißen Laken flattern, sah einfach nur lächerlich aus. Es war, als würde sie es bis ins Tal hinunter signalisieren: Bald könnt ihr den Gerichtsvollzieher hochschicken!
Das ist übrigens mein Ernst. Ich war in Brixen und habe den Alreiner Kontostand eingesehen. Die Anzeigen waren wahnsinnig teuer, und die Glück-mit-Sahne -Schilder auch. Zwei, drei Wochen können wir noch so weitermachen, dann habe ich das Lebenswerk meiner Großtante an die Wand gefahren.
Ich weiß einfach nicht, was ich falsch mache. Ich weiß es wirklich nicht. Manchmal kommt es mir so vor, als hätte ich da, wo andere Leute ein Hirn haben, ein Stück Hefeteig, das nicht richtig aufgegangen ist. Keine Ahnung, wie ich in Hamburg durchgekommen bin. Glück kann es nicht gewesen sein, denn wenn das den Dummen tatsächlich hilft, würde hier oben nicht immerfort alles schieflaufen.
Und das ist das Allerschlimmste: Während ich hier sitze und nicht weiß, wie es weitergehen soll, rennen all die Gäste, die doch eigentlich hierher gehören, dem Alpine Relax die Türen ein.
Da unten zum Beispiel. Da kommt schon wieder jemand den Berg hinauf. Gleich erreicht er die Gabelung und wird rechts abbiegen statt links.
Ehrlich, am liebsten würde ich das Geschirrtuch schmeißen und wieder nach Hause fahren. Heim nach Hamburg. Ich glaube, ich bin einfach nicht geschaffen für dieses Berg-Ding. Ich meine, ich bin Großstädterin. Ich komme vom Meer. Und wenn ich in meinem Leben gearbeitet habe, dann ausschließlich mit dem Kopf. Was, zum Teufel, habe ich mir nur gedacht, als ich mich entschieden habe, eine Pension zu
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