Liebe und Marillenknödel
natürlich. Seit Nick kocht, habe ich, glaube ich, tatsächlich begriffen, was der Unterschied zwischen einem Fertiggericht und echten Spaghetti Bolognese ist. Das eine macht einigermaßen satt. Das andere – glücklich.
Arme Sarah. Da hat sie jahrelang auf mich eingeredet, und dann kommt ein Mann mit haselnussbraunen Augen, und ich kapier es schon bei der ersten Gabel.
Und noch etwas habe ich gelernt. Es gibt nichts Schöneres als echten, richtigen, gesunden Appetit. Als halbwegs glücklicher Mensch einen guten Teller Pasta in Aussicht zu haben, gehört zu den tollsten Momenten, die es gibt. Da braucht man keinen Stuckaltbau mehr und auch keine neue Handtasche von Chloé.
Was nicht heißen soll, dass Nicks Nudeln in einem Stuckaltbau nicht auch schmecken würden.
Oh weh. Ich glaube, ich bin verknallt bis über beide Ohren.
Ich suche Nicks Umarmung, drücke ihn an mich, ganz einfach nur, weil ich ihn mit einem Mal ganz, ganz festhalten will.
Zum Glück machen sich Männer keine Vorstellung davon, was Frauen so alles durch den Kopf gehen kann, wenn sie vor einem Regal voller Nudeln stehen.
» Kein Grund zur Dankbarkeit«, lacht er nichts ahnend. » Ich wollte nur sichergehen, dass du nicht vergisst, auch an dich zu denken.«
Ich drücke ihn noch fester und stecke meine Nase in seinen Nacken, schließe die Augen und atme ganz, ganz tief ein.
Mannomann, was fühlt sich das gut an.
Ich atme ihn noch einmal ein, dann öffne ich die Augen wieder. Und sehe plötzlich, über Nicks Schulter hinweg … Gianni.
Kann nicht sein.
Der wollte doch nach Sizilien zu seiner Familie! Jirgl hat ihn höchstpersönlich in den Zug steigen sehen!
Aber doch, er ist es. Mit grauer Schürze steht er neben so einem Rolldings, auf dem sich große Kartons stapeln, und räumt irgendwelche Dosen ins Regal.
Unglaublich!
» Warte mal kurz«, flüstere ich Nick zu, entlasse ihn aus meiner Umarmung und gehe auf meinen alten Koch zu.
» Gianni«, rufe ich, » was machst du denn hier?«
Er fährt herum und sieht mich an. Seine Augen weiten sich erst vor Schreck und verengen sich dann.
» Ich dachte, du bist in Palermo! Du hast mich vielleicht hängen lassen!«
Er murmelt etwas, und sein Blick wird auf einmal … hä? … ganz feindselig. Ich verstehe nicht …
» Gianni? Ich bin’s, Sophie!«
Er sieht mich so düster an wie Gargamel, wenn er einen Schlumpf erschnuppert.
» Troia stupida!«, stößt er zwischen den Zähnen hervor.
Mein Italienisch ist ja nicht besonders, aber ich fürchte, das habe ich verstanden.
» Was ist denn in dich gefahren? Gianni!«
» Vaffanculo«, zischt er hasserfüllt, dreht sich um und geht weg. Ich laufe ihm hinterher, aber er wird immer schneller.
Na, toll, ich kann hier ja jetzt auch nicht den ganzen Laden zusammenschreien.
» Gianni«, zische ich, aber natürlich bleibt er nicht stehen.
» Sophie?«, ruft Nick mir nach.
Ich halte inne, laufe noch einmal zu ihm zurück und drücke ihm meinen Geldbeutel in die Hand, in dem sich die Einnahmen der letzten Tage befinden.
» Warte im Auto auf mich«, sage ich. » Ich muss was erledigen.« Dann renne ich Gianni nach, den Gang entlang und um die Ecke, hinter der ich ihn eben noch verschwinden sehe, am Regal mit den Süßigkeiten entlang und vorbei an einem mannshohen Verkaufsdisplay mit Mulino-Bianco -Keksen.
Und das auf Keilabsätzen, spitze.
Natürlich fährt mir wieder so ein blöder Großfami lien-Einkaufswagen in den Weg, aber mit einem Sprung zur Seite schaffe ich es gerade noch auszuweichen.
Und jetzt? Wo ist er hin?
Ich blicke mich um.
Da – da verschwindet ein grauer Kittel um die Ecke. Ich laufe ihm hinterher und sehe, wie er durch ein Tor schlüpft, das mit großen, schmutzig-durchsichtigen Plastiklappen verhangen ist – und über dem knallrot und in großen Lettern steht: Accesso vietato – Zutritt verboten.
Klasse. Ganz große Klasse.
Ich bleibe stehen, unschlüssig, was ich tun soll. Natürlich ist es Giannis Sache, was er macht und was nicht. Wenn er wollte, könnte er auch nach China auswandern oder im Alpine Relax anfangen, das ist völlig klar. Aber erstens ist er aus Alrein abgehauen, ohne sich zu verabschieden. Zweitens will ich wissen, warum er vor mir wegläuft. Und drittens hat er mich eben dumme Sau genannt.
Ich schiebe einen der Plastiklappen zur Seite und spähe hindurch. Unmengen Holzpaletten sind dort gestapelt, am anderen Ende des Raums befinden sich mehrere breite Rolltore. Wahrscheinlich werden hier die
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