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Liebe und Verrat - 2

Liebe und Verrat - 2

Titel: Liebe und Verrat - 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle Zink
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und selbst jetzt noch sehe ich dort die Macht, die die Seelen über sie hatten. Selbst jetzt noch sehe ich die Verlockung in dem Versprechen einer verlorenen Liebe. »Es geschah so langsam, dass ich nicht einmal mehr weiß, wie es begann.«
    Ihre Worte treiben auf der Meeresbrise dahin und hallen in meinem Geist wider, bis sie verklingen und nichts mehr bleibt außer Schweigen. Schließlich streckt sie den Arm aus, meinen Kamm in ihrer Hand.
    Ich nehme ihn. »Es tut mir leid.« Ich spreche die Worte aus, weil es gemein war, mit dem Kamm nach ihr zu werfen, aber im Innersten bin ich nicht davon überzeugt, ob ich es ehrlich meine.
    Sie dreht die Handflächen gen Himmel, als ob sie sich unserem Urteil ergeben würde. »Nein, mir tut es leid, Lia. Aber alles, was ich tun kann, ist, deine Vergebung zu erflehen und dir zu schwören, dass ich eher sterben würde, als dich noch einmal zu betrügen.«
    Luisa geht zu Sonia und legt ihre Handflächen auf die schmalen Schultern unserer Freundin. »Das ist genug, Sonia. Für mich ist das mehr als genug.«
    Es fällt mir nicht leicht, aber ich schließe mit ein paar Schritten die Lücke zwischen uns, lege jeder einen Arm um die Schultern, sodass wir einander umarmen, wie damals, als die Prophezeiung nur ein Rätsel war und nicht die Bedrohung, die alles verändert hat und uns möglicherweise unser Leben kosten wird.
    Als wir auf der Klippe über dem Meer stehen, glaube ich einen Moment lang, dass es so ist wie früher, als wir drei noch alles gemeinsam tun konnten. Aber das Gefühl dauert tatsächlich nur einen Moment. Denn tief im Innern wissen wir alle, dass nichts mehr so sein wird wie früher.
    Wir nahmen Abschied von Sonia, und obwohl wir uns alle nicht sicher sein können, habe ich das deutliche Gefühl, dass sie genesen will. Dass sie treu sein will. Jetzt können wir nichts weiter tun, als warten, bis die Schwestern sie für kräftig genug halten, damit sie die Rückreise nach London antreten kann.
    Wir haben schon die Hälfte des Wegs zum Heiligtum zurückgelegt, als wir jemanden auf uns zurennen sehen.
    Dimitri beschattet mit der Hand die Augen und blickt der Gestalt entgegen. »Es ist eine Schwester.«
    Das Gewand der Laufenden bläht sich im Wind auf, und ich sehe goldenes Haar hinter ihr herwehen, wie eine Fahne. Es schimmert in der Sonne. Endlich steht sie vor uns. Ich kenne sie nicht. Sie ist jung, vielleicht so alt wie Astrid, und sie spricht nicht sofort. Sie ist so außer Atem, dass sie sich keuchend krümmt. Es dauert eine ganze Weile, bis sie sich wieder aufrichtet. Immer noch kommt ihr Atem in kurzen, abgehackten Stößen. Ihre Wangen sind vor Anstrengung gerötet.
    »Es … es tut mir leid, aber ich muss euch … mitteilen, dass … Lady Abigail … von uns gegangen ist.«
    Ihre Worte sinken nicht sofort ein. Mein Geist ist so leer wie die weißen Leinwände im Kunstraum von Wycliffe. Aber die nächsten Worte der jungen Schwester dringen in mein betäubtes Gehirn vor. »Man hat mich geschickt, um dich zu holen, Mylady.«
    Mylady. Mylady.
    Nein .
    Und dann renne ich los.
    »Es ist nicht deine Schuld, dass du nicht hier warst, Lia.« Una stellt eine heiße Tasse Tee auf den Tisch. »Es hätte keinen Unterschied gemacht. Sie hat das Bewusstsein nicht mehr wiedererlangt.«
    Seit ich – außer Atem und mit wehendem Gewand – hereingestürzt kam, hat mir Una mehr als einmal versichert, dass meine Tante im Schlaf starb. Aber das ändert nichts an meinen Schuldgefühlen. Ich hätte bei ihr bleiben sollen. Ich hätte jede Sekunde mit ihr verbringen sollen. Ich rede mir ein, dass sie gespürt hätte, dass ich da bin, bewusstlos oder nicht.
    »Lia.« Una setzt sich neben mich und nimmt meine Hand. »Lady Abigail hatte ein langes und erfülltes Leben. Sie lebte hier auf Altus in Frieden, genauso wie sie es wünschte.« Sie lächelt. »Und sie hat dich gesehen, ehe sie starb. Ich glaube, darauf hat sie die ganze Zeit gewartet.«
    Ich neige den Kopf und Tränen tropfen aus meinen Augen geradewegs auf die Tischplatte. Ich weiß nicht, wie ich Una erklären soll, warum mich Tante Abigails Tod so in Verzweiflung stürzt. Tante Virginia hat sich als hilfreich erwiesen, aber sie selbst hat ihre unzulänglichen Kräfte eingestanden und mir bereits alles gesagt, was sie wusste.
    Es war Tante Abigail, auf die ich all meine Hoffnung setzte, von der ich erwartete, dass sie mich führen und leiten würde. Wenn ich an die Prophezeiung dachte, dann war sie es, die sich in meinen

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