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Liebe und Völkermord

Liebe und Völkermord

Titel: Liebe und Völkermord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Imran
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Alles war so unglaubwürdig gewesen für ihn, es kam ihm vor, als sei er in einem Traum. Mit einem Ruck setzte er sich auf, schob sein rechtes Bein zur Seite, nahm den Stein mit seiner rechten Hand und warf ihn in Tumas Richtung. Er traf Tumas rechte Hand am Abzug. Tuma schrie laut auf. Barsaumo sprang auf und stürzte sich auf ihn. Scham'en drehte sich um, wollte zwischen die Männer gehen, doch war es nun zu gefährlich wegen der Waffe in ihren Händen. Er trat zur Seite, hinter einem der Bäume weiter hinten. Hinter dem breiten Baumstamm war er sicher.
    Tuma und Barsaumo rangen auf dem erdigen Boden. Ihre Hemden und Hosen waren nun schwarz von der Erde. Sie schrien, stöhnten und schnaubten.
    Dann fiel ein Schuss.
    Scham'en hatte sich hinter dem Baumstamm geduckt und hatte die Entscheidungsszene im Kampf zwischen den beiden alten Freunden nicht gesehen. Er war sich sicher, Tuma hatte den Kampf gewonnen. Aber sich dessen absolut sicher war er nicht. Er wagte es nicht, seinen Kopf vorzusetzen, um zu schauen, wer noch am Leben war.
    Dann fiel noch ein weiterer Schuss.
    Scham'en ließ sich zu Boden fallen und hielt seine Arme hinter seinem Kopf. Der Schuss kam aus einer anderen Richtung. Scham'en dachte, Barsaumo hätte auf ihn geschossen. Doch es war der Muchtar Murad. Murad hatte einen Schuss in Barsaumos Richtung abgefeuert, scharf an seinem Kopf vorbei. Er wollte ihn damit warnen und auch zeigen, wer im Kampf überlegen war.
    Tuma lag tot auf dem Boden, seine Beine gespreizt, sein Hemd vom Brustkorb bis zum Magen rot. Der Lauf des Gewehres hatte genau auf seiner Brust gelegen und die Kugel hatte sein Herz durchbohrt. Er war auf der Stelle tot.
    Barsaumo stand aufrecht neben der Leiche, das Gewehr lag auf dem Boden, auf der linken Seite des Toten. Er zitterte am ganzen Körper. Von seinem Gesicht tropfte Blut auf seine Brust herab. Das war Tumas Blut. Als Tuma aufhörte, zu leben, sackte er zusammen, Barsaumo lag am Boden, denn Tuma hatte ihm einen heftigen Hieb verpasst. Er war genau auf Barsaumo gefallen. Barsaumo erschrak, schob die Leiche von sich und wischte das Blut von seinem Gesicht ab.
    „ Was hast du getan, du Verrückter? Seid ihr wahnsinnig geworden? Bringen wir uns jetzt alle gegenseitig um? Dann brauchen die Moslems gar nicht mehr gegen uns zu Felde zu ziehen!“, schrie Murad ihn an.
    Barsaumo spielte den Traumatisierten. Er weinte. Er beteuerte, es sei ein Unfall gewesen, Tuma sei durchgedreht und habe ihn erschießen wollen, und er habe nur sein Leben retten und ihm das Gewehr abnehmen wollen, dabei sei das Gewehr von selbst losgegangen.
    Nun standen einige Männer der Familie des Ibrahim und der des Antar hinter dem Muchtar. Sie blieben erschrocken zurück. Sie konnten sich nicht erinnern, jemals von einem Kampf auf Leben und Tod zwischen zwei Aramäern gehört zu haben.
    Murad geriet in Rage. Er hatte letzte Nacht nicht gut geschlafen und seine Frau Johanna hatte ihn verletzt, weil sie seinen ruhmreichen Beitrag bei der Verteidigung des Dorfes nicht gewürdigt hatte. Am liebsten hätte er jetzt seinen Frust an diesem Jungen ausgelassen und ihn gleich sofort erschossen. Aber wie sinnlos war es doch, einen seiner Brüder zu erschießen, dachte er.
    Isa, der zweitälteste Sohn des Muksi Antar, trat vor zu Murad. Er war nur drei Jahre jünger als Murad, sah aber viel jünger aus als er, denn weder hatte er markante Falten im Gesicht noch war sein Haar ausgefallen oder ergraut.
    Vorsichtig legte er seine rechte Hand auf den oberen Teil des Laufes des Gewehres und drückte es nach unten. Murads Augen waren immer noch auf den Mörder gerichtet. Diesen Isa kannte er nicht gut, er sah ihn immer nur, wenn jener mit seiner großen Herde von Schafen und Ziegen auf die Weide ging und grüßte ihn stets. Für ihn war er also ein Fremder. Er schämte sich vor ihm. So senkte er also seinen Kopf und beruhigte sich.
    Isa drehte sich zu seinen Brüdern und den anderen Männern um. „Hier hat sich eine Tragödie ereignet. Es ist furchtbar. Doch sollten wir jetzt einen kühlen Kopf bewahren! Wir dürfen nicht in Chaos geraten. Haltet euren Zorn im Zaum! Wir leben in schweren Zeiten. Die Moslems stehen vor unserer Haustür. Sie wollen uns vernichten, uns unsere Frauen nehmen und unsere Kinder, unser Land und all unsere Habe. Wenn wir uns gegenseitig töten, werden sie es sich mühelos nehmen können!“
    Die Männer schwiegen. Dann wurde es auf einmal laut hinter den Männern. Abuna Isa bahnte sich den Weg frei

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