Liebe Unerwuenscht
verstehen? Dass man beim Anblick solcher Verschwendung Gewissensbisse bekommt«, meinte Caroline. »Beim Anblick und erst recht bei Beteiligung daran.«
»Völlig überflüssige Gewissensbisse«, erwiderte Jennifer.
»Überflüssig? Wenn man mal bedenkt, dass . . .«
»Stopp! Bitte keinen Vortrag über soziale Ungerechtigkeit, Armut in der Dritten Welt oder ähnliches«, bat Jennifer. »Glaub mir, ein Diner mehr oder weniger ändert daran nichts.«
»Da kann man unterschiedlicher Auffassung sein«, widersprach Caroline.
»Ursache und Wirkung«, sagte Jennifer trocken.
»Was?«
»Die Gesellschaft ist ein unübersichtliches Geflecht aus Ursachen und Wirkungen«, erläuterte Jennifer. »Dieser, wie du es nennst, verschwenderische Luxus ist nicht Ursache für die Ungerechtigkeiten der Welt. Wobei ich es nicht Ungerechtigkeiten nenne, sondern Kräfteverhältnisse.«
»Nein, er ist nur ein weiterer Beweis der Gedankenlosigkeit mancher Leute«, erwiderte Caroline bissig.
»Passiert dir das oft? Dieses Weltverbesserungsgeschwafel?« attackierte Jennifer ungewollt scharf.
»Immer dann, wenn mir Zyniker wie du das Universum erklären«, konterte Caroline.
Jennifer wollte eben zu einer passenden Antwort ansetzen, als Caroline ihr plötzlich einen Finger auf den Mund legte. »Schon gut«, sagte sie. »Entschuldige. An diesem Punkt waren wir bereits.« Sie hatte sich gerade erinnert, wie sie Jennifer schon einmal, bei ihrem ersten gemeinsamen Abendessen, Egoismus vorgeworfen hatte. Dass die nur dem Prinzip Geben und Nehmen folge. Und musste hinnehmen, dass Jennifer ihr die Lektion erteilte, wie leicht es war, andere mit Vorwürfen zu überhäufen. »Ich glaube, wir müssen uns darauf einigen, dass jede für sich entscheiden muss, was ihr Gewissen aushalten kann.«
Caroline zog ihre Hand zurück. Sie wollte sie eigentlich einfach sinken lassen. Doch irgendwie konnte sie nicht verhindern, dass sie vorher sanft Jennifers Wange streifte. Als ihr bewusst wurde, was sie tat, brach sie mitten in der Bewegung ab.
Das leise Lächeln um Jennifers Mund zeigte Caroline, dass die den kleinen Umweg ihrer Hand sehr wohl bemerkt hatte. Welchen Reim sie sich darauf machte, behielt Jennifer allerdings für sich.
»Warum ist das so?« fragte sie nach einer Weile zusammenhangslos.
So dass Caroline sich genötigt sah zu fragen: »Was meinst du?«
Jennifer schaute Caroline so intensiv an, wie es die erforderliche Aufmerksamkeit für den Straßenverkehr zuließ. »Fällt dir das nicht auf? Wir beide haben kaum ein Gespräch, ohne uns früher oder später zu streiten.«
»Wir haben eben in den meisten Dingen unterschiedliche Auffassungen«, erwiderte Caroline.
Jennifer nickte. »Ja. Das ist wahr.«
Wieder entstand eine Pause.
»Aber . . . warum genieße ich deine Gegenwart, obwohl du so eine Nervensäge sein kannst?« fragte Jennifer weiter.
Tja, was fragst du mich?
Caroline stutzte. Moment mal, was sagte Jennifer da? Was bedeutete das nun wieder? Was für seltsame Selbstgespräche führte die Frau neben ihr? Oder fragte Jennifer das ernsthaft?
»Fragst du dich das nie . . . in Bezug auf mich?« Wieder ein intensiver Blick Jennifers.
Caroline schluckte. Andauernd! Doch ich binde es niemandem auf die Nase. Schon gar nicht dir. Das stand für Caroline fest. Felsenfest. »Genießen nenne ich was anderes«, entgegnete sie zurückhaltend.
Jennifer lachte leise.
Sie setzten die Fahrt schweigend fort. Vor Carolines Haus angekommen, hielt Jennifer den Wagen an, ließ den Motor aber laufen. Das leise Surren durchbrach die Stille der Nacht.
Caroline schaute Jennifer an. »Danke fürs Bringen.« Sie zögerte. Eigentlich sollte sie jetzt aussteigen, doch das unbestimmte Gefühl, noch irgend etwas sagen zu müssen hielt Caroline davon ab. Sie setzte mehrmals an, doch kein einziges Wort kam über ihre Lippen.
Diesmal war es Jennifer, die ihren Finger auf Carolines Mund legte. Dann beugte sie sich zu ihr. Caroline fühlte das sanfte Streicheln von Jennifers Lippen auf ihren. Ohne jegliches Drängen brachte Jennifer sie dazu, ihren Mund zu öffnen und den Kuss zu erwidern.
»Gewisse Dinge genießt du doch«, sagte Jennifer leise, als sie sich von Caroline löste.
Caroline senkte den Blick. »Ich habe leider . . . eine Schwäche für dich, fürchte ich.« Zwecklos, es länger zu leugnen.
»Das geht mir genauso mit dir«, Jennifer lächelte. »Wie sich das trifft.«
»Aber ich bin nicht sehr glücklich darüber«, sagte
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