Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
dermaleinst ebenso sorgfältig pflegen und liebevoll warten wie er, wird es laufen, so lange, wie es auf dieser Welt noch einen Tropfen Diesel gibt.
Es gibt keine Aufgabe, die Jakob mit seinem
Mad-Max
-Mobil nicht meistern kann. Ob beim Bauen, beim Graben, beim Holzfällen, Heumachen oder Zäunen, immer verfügt das Gerät über noch eine weitere zweckmäßige Zusatzfunktion, immer lagert in einem seiner Holzschuppen noch ein geniales Anbauwerkzeug. Und wenn nicht, dann wird das Passende und Nötige eben erfunden und konstruiert. So ist Jakobs Vielzweckmaschine eine sich permanent entwickelnde, fahrbare landwirtschaftliche Skulptur, nichts weniger als ein Kunstwerk. Sogar ein preisgekröntes: Eine Fachzeitschrift hat Jakob dafür zum «Erfinder des Jahres» gekürt. Er hat zwar gelacht, damals, und sich ein wenig spöttisch gefragt, was das wohl für eine Jury sei, die ausgerechnet auf ihn komme, den einfachen, gelernten Automechaniker, wo es doch gewiss viel gelehrtere Erfinder gäbe als ihn. Aber ein wenig Stolz ist damals doch mitgeschwungen in Jakobs Spöttelei …
«Du», klingt seine Stimme aus dem Hörer, «warum ich dir alüüte …»
«Ja eben, warum rufst du eigentlich an?»
«Ja eben, ich wollte dir nur säge, ich han sie!»
«Was?»
«D’ Lösig!»
«Hab ich’s doch gewusst!», triumphiert der kleine Schweizer. «Wo eine Lösung ist, gibt’s auch ein Problem. Es ist eben doch etwas passiert, und Jakob will mit der Sprache nicht so recht herausrücken, weil es so schlimm ist.»
«Die Lösung für welches Problem, Jakob?», frage ich vorsichtig.
«Für dys Problem, Dieter! Das Hürlimann-Kuppligsschibli! Ich han’s scho by mer.»
Endlich fällt bei mir der Groschen: Es geht um den Hürlimann. Genauer: um dessen Kupplungsscheibe.
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Entzug
In der Tat hatte ich mir große Sorgen gemacht um meinen Hürlimann, den Traum meiner Kindheit. Um jenen Traktor, den ich nach dem Umzug nach Amerika im Internet gefunden und aus der Schweiz nach Brandenburg hatte transportieren lassen und auf dem ich seither über die Weiten der Brandenburger Felder tuckere, so stolz wie es ein Feldherr nur irgend sein kann. Den guten alten Hürlimann D 100 S, Baujahr 1968 , kräftig wie ein ganzes Gestüt: 45 Pferdestärken. Jenen Hürlimann, den mein hiesiger Nachbar, Bauer Müsebeck, so genau inspiziert und mit einem Tätscheln auf die feuerwehrrote Kühlerhaube für gut befunden hatte, das zuverlässige altmodisch chromblitzende Arbeitstier, ohne das wir ruiniert wären, weil es unser Gras mäht, unser Heu presst, es einbringt, die Wiesen eggt, den Wasserwagen zu den Schafen zieht. Und dieses Juwel schweizerischer Ingenieurskunst machte mir Sorgen. Weil auch ein Traktor, dessen Hersteller wegen zu hoher Qualität seiner Produkte pleitegegangen ist, denn die Hürlimänner gehen nie kaputt, und jeder, der einen Hürlimann hat, behält seinen Hürlimann ein Leben lang und muss nie wieder einen Hürlimann kaufen, ein Hürlimann ist eine (wohlgemerkt: EINE !) Anschaffung fürs Leben, ein Hürlimann hält und hält und hält, unterm Großvater, unterm Sohn und noch unterm Enkel, ein Hürlimann dient unermüdlich viel länger, als ein Bauernleben lang …
… weil, wollte ich eigentlich sagen, weil auch so ein für die Ewigkeit gebauter Traktor Verschleißteile besitzt. Zum Beispiel eine Kupplungsscheibe. Und die machte mir Sorgen: Sie war runter. Beim Einkuppeln ratterte sie verdächtig, und nur widerwillig übertrug sie die Kraft des Motors auf die Räder. Vor etwa zwei Monaten hatte das angefangen, und natürlich steh ich jetzt blöd da mit meinem Hürlimann. Denn woher soll ich für einen Traktor, für den längst keine Ersatzteile mehr gebaut werden und der hier im Nordosten Deutschlands ein absoluter Exot ist, woher sollte ich bloß eine Hürlimann D 100 S-Kupplungsscheibe, Baujahr 68 , aber bitte wie neu, hernehmen? Woher?
Natürlich hatte ich in meiner Not sofort Jakob angerufen, den genialsten Mechaniker aller Mechaniker. Wenn einer Rat wusste, dann er. Und Jakob hat ihn ausgesprochen, den Rat, mit dringlicher und sehr ernster Stimme. Er lautete, den Hürlimann sofort in Ruhe zu lassen, jedes weitere Kuppeln könne die Scheibe zerreißen, «und dann guät Nacht am Sächsi!» Da wären ungeheure Fliehkräfte am Wirken, meinte er, und wenn es die Scheibe dann auseinanderchlöpfe, könne mir der ganze Motorblock um die Ohren fliegen, und dann könne ich, wenn ich Pech hätte, gleich «beim
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