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Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Lieber einmal mehr als mehrmals weniger

Titel: Lieber einmal mehr als mehrmals weniger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Moor
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nicht so gut.›»
    «Und wenn ich schon da bin und dich nerve?»
    «Sage ich, ‹du nervst›, und ich sage, was mich nervt. Und wenn ich dich nerve, sagst du, was dich nervt.»
    «Jeder macht einfach, wie ihm ist, und solange keiner sagt, es nervt, ist alles gut?»
    «Ja!»
    Alice streckte ihre kleine Hand aus. «Dann machen wir das so, ab jetzt.»
    Ich nahm ihre Hand in die meine. «Ja, wir haben jetzt eine Abmachung.»
    «Geschworen?»
    «Geschworen!»
    Sie drückte meine Hand, ich die ihre. Ich empfand bis in alle Tiefen hinab: Diese Abmachung war todernst und wir beide waren gewillt, sie einzuhalten, komme, was da kommen wolle.
    «Also», sagte Alice, «dann fangen wir an.»
    «Auf geht’s», sagte ich und wollte den Zündschlüssel drehen und losfahren, als Alice mich abermals stoppte.
    «Ich sagte: Dann fangen wir an. Du kannst doch nicht losfahren, ohne angefangen zu haben!»
    «Was meinst du?» Ich verstand nicht, was sie noch wollte, die Abmachung stand doch, wie ’ne Eins!
    «Na, mit dem Sagen, was nervt, damit müssen wir doch jetzt anfangen!»
    Zack, sie hatte recht! Verdammt, sie hatte mich voll erwischt. In Erwachsenenmanier hatte ich gedacht: Alles beredet, alles klar, so machen wir’s ab jetzt. Und völlig vergessen, dass dieses «Ab jetzt» das «Jetzt» beinhaltet. Und wohl auch das «Bis jetzt».
    «Du willst von mir wissen, was mich an dir nervt? Oder schon mal genervt hat?»
    «Ja, klar!» Alice hatte einen leicht ungeduldigen Ton. «Haben wir doch gerade eben abgemacht, hm? Schon vergessen?»
    Puh. Welche Konsequenz dieses Mädchen hatte, Respekt!
    «Also gut, ich fang an. Dannach bist aber du dran.» Alice nickte. «Also», fuhr ich fort und dachte: Wie sag ich’s diplomatisch? «Sie ist noch ein Kind, also Vorsicht, hä, jetzt nur keinen Fehler machen, oder?», mischte sich der kleine Schweizer ein.
    «Also, um ehrlich zu sein …» Das war schon Scheiße. Wie konnte mir diese Dummdeppenfloskel nur rausrutschen? Ich hasse sie. Wenn Menschen einen Satz anfangen mit «Um ehrlich zu sein» oder «ehrlich gesagt», kann man davon ausgehen, dass jetzt eine Lüge kommt. Oder, dass sie bisher gelogen haben. Und nun musste ich mich selber hören, wie ich gegenüber einem Kind (!) diese Floskel absonderte.
    «Vergiss es», sagte ich. «Nicht um ehrlich zu sein, sondern weil wir ein Abmachung haben: Mich nervt öfter mal deine altkluge Art.»
    Alice war nicht geschockt. Blitzschnell kam: «Aber ich bin doch klug, oder?»
    «Stimmt», erwiderte ich, «verdammt klug sogar. Aber überhaupt nicht alt, du kleiner Zwickel. In deinem klugen Hirn denkst du dir einen Brei zusammen aus Dingen, die du gehört hast, ohne dich zu fragen, ob das überhaupt Sinn macht, und vermischst diesen Käse dann mit Dingen, die du selber irgendwie mitgekriegt hast, und dann backst du daraus einen Behauptungspudding und servierst ihn der Welt als kluge Wahrheit. Und es ist dir egal, ob es womöglich noch ein paar andere Wahrheiten gibt und du dich gerade schrecklich blamiert hast. Und ich will nicht, dass sich jemand blamiert, der so klug ist wie du und den ich so mag wie dich. Und drum nervt’s mich.»
    Alice hatte sich den ganzen Sermon ruhig angehört und mich dabei keine Sekunde aus den Augen gelassen. «Das nervt? Und ich dachte, es macht, dass du mich gut findest. Weil du dann denkst, die weiß aber schon viel für ihr Alter.»
    «Ich finde dich gut, weil du Alice bist, nicht weil du die allwissende Alice bist.»
    «Aber wenn ich was sage, dann glaub ich doch, dass ich es weiß. Ich kann doch nicht vorher immer fragen, ob das auch stimmt, was ich denke, was ich weiß, verstehst du?»
    «Versteh ich, und ich sage dir: Doch, du kannst immer fragen, ob das stimmt. Wer fragt, der wird wirklich klug.»
    «Und das nervt dich dann nicht, die Fragerei?»
    «Nein. Und wenn doch, sag ich das und warum die Frage nervt.»
    «Und wenn deine Antworten nicht stimmen?»
    «Dann haben wir beide Pech gehabt und blamieren uns. Und darum strenge ich mich ebenfalls an, niemals aufzuhören mit dem Fragen.»
    Ich musste lachen und begriff: Diese Alice könnte, wenn sie richtig loslegen würde mit der Fragerei, zur Herausforderung werden.
    «Gut, Dieter, ich denke darüber nach, und dann sag ich dir, was ich herausgefunden habe.»
    «Gut», sagte ich. Was war das für ein Kind, das Denken ankündigt und es zweifellos auch tun würde. Ich erkannte: Alice war wirklich eine ganz Besondere.
    «Jetzt du!», forderte ich sie auf.
    «Was mich an

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