Lieber einmal mehr als mehrmals weniger
hektische Bewegungen, nähert sich dem Frischgeborenen. Die Büffelin schnaubt, wippt einige Male mit dem Kopf auf und ab. Sonja hält inne. Mit tiefer, leiser Stimme spricht sie: «Na, Mimooosa, du stolze, schöne Mama, hast du das guuuut gemaaaacht. So ein wunderbares Kalb, ist guuuut, Mimooosa, ja, ist ja guuuut, mein schööönes Weibili.»
Die Büffelin riecht an Sonjas Hand, schmiegt sich an und lässt sich kraulen. Sonja bückt sich zum Kalb. Streichelt es, massiert. Mimosa lässt es zu. Als ob sie Sonja assistieren wollte, kommt sie mit den Nüstern ganz dicht ran. Mit einer Hand krault Sonja den Hals der Mutter, mit der anderen massiert sie das Kalb. Sonja dreht ihr Gesicht zu mir und lächelt. «Ein Bub», sagt sie. Dann beobachtet sie besorgt den kleinen Stier. «Er braucht Wärme. Wir decken ihn zu.»
Mit der Schubkarre schaffe ich zusätzliches frisches Stroh heran, Sonja breitet es über das Kalb. Ein Strohhügel entsteht, aus dem nur eine schwarze Mini-Stiernase hervorlugt.
Eine Stunde später, es dämmert schon merklich, sehen wir erneut nach dem Kalb. Unsere Hoffnung, der Kleine hätte seine Erschöpfung womöglich überwinden und aufstehen können, ist nicht in Erfüllung gegangen. Er muss es zwar versucht haben, er liegt nicht mehr unter dem warmen Strohberg, doch keine Milchspuren kleben an seinem Mäulchen.
Da, er startet einen weiteren anstrengenden Versuch! Tapfer kämpft er sich hoch. Stemmt die Kruppe vom Boden weg, bis seine Hinterbeinchen fast ausgestreckt sind. Jetzt setzt er ein Vorderbeinchen auf, macht einen gewaltigen Ruck, um auch das andere unter dem Bauch hervorzukriegen. Er stemmt sich hoch. Ja, es gelingt! Schief und wackelig steht er im Stroh, die Beine absurd weit nach hinten und vorn ausgestreckt, aber er steht! Bravo, kleiner Stier, du schaffst es, geh, geh, finde das Euter, versuch es! Er wagt einen Schritt, ja weiter! Ein zweiter Schritt, er schwankt hin und her, als würde die Erde beben, will ausgleichen und … verliert. Seine Vorderbeinchen brechen weg, die kleinen Klauen rutschen nach vorn, sein Kopf rauscht ins Stroh, die Hüfte kippt zur Seite. Aus! Ermattet hebt er sein Schädelchen, blickt zu seiner Mutter, die neben ihm steht und doch unerreichbar ist, und lässt sich schließlich kraftlos ins Stroh sinken. Ein geschlagener kleiner Held.
Sonja klettert abermals zu den Tieren, ich werfe ihr die mitgebrachten Pferdedecken über das Gatter.
«Scheiße», entfährt es Sonja. «Er beginnt schon auszukühlen. Wir müssen ihn irgendwie warm kriegen. Wir müssen, sonst haut der uns ab, in den Büffelhimmel.»
Sie fasst dem Kalb ins Mäulchen. «Da ist er auch schon kühl, die Zunge ist kalt, verflucht noch mal. Das schaffen wir nicht nur mit Decken. Zu wenig Eigentemperatur, der braucht Wärme von außen.» Ihre Stimme klingt ratlos, ein Hauch von Verzweiflung kündigt sich an. Nervös fingere ich mein Handy aus der Jackentasche, wähle Krüpkis Nummer und hab ihn nach endlos scheinendem Tüt-Tüüüüt-Tüüt endlich dran.
«Wat denn, wat denn, wat denn», meldet er sich. «Keiner stört mich an meinem heiligen Feierabend, ich sitze beim Essen!»
In meinem Stress verzichte ich auf sämtliche Entschuldigungsformeln, die der kleine Schweizer selbst noch in einer solchen Notlage eingefordert hätte. «Krüpki, ich brauch deine Hilfe.»
Krüpki reagiert wunderbar. «Dieter! Bin zur Stelle, wat liegt an?»
«Ich brauch ’ne Pferdeheizdecke.»
«’ne Pferdeheiz …, wat?»
«Wir haben ein neugeborenes Büffelkalb, das schwächelt und dringend Wärme von außen braucht; und zwar schnell. Hast du ’ne Pferdeheizdecke?»
«Pferde werden bei mir nicht geheizt, Mensch!»
«Nein die Decke, die Decke soll heizen. So was gibt’s doch für Menschen auch, du hängst die Decke an die Steckdose, und dann wird sie warm …»
«’ne Heizdecke für Pferde? Ja, was sagt man denn dazu. Pferdeheizdecke! Was soll das denn für ’n Dreckskram sein?»
«Hast
du
vielleicht ’ne Heizdecke, ich meine, eine für Menschen, ich würde dir eine neue besorgen, wenn …»
«Willste mir verspotten? Wofür hältst du mich?» Krüpki dreht auf, ich bringe das Telefon in Sicherheitsabstand zu meinem empfindlichen Trommelfell. «Fragt der mich, ob ich ’ne Heizdecke …», quäkt es aus dem Handy. Mimosa dreht verwundert den Kopf in Richtung dieser scheppernden Töne. «Ich bin doch kein Stadt-Weichei, hör mal, so weit kommt’s noch, dass ich ’ne Heizdecke … Arbeit ist immer
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