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Lieber Frühling komm doch bald

Lieber Frühling komm doch bald

Titel: Lieber Frühling komm doch bald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Onkel Edouard war der netteste Mann, den er je kennengelernt hatte.
    John Pentecost kam zusammen mit Bea ins Zimmer. Er sah so grimmig aus wie ein Mann, der entschlossen ist, hart zu bleiben und dennoch höflich zu sein. Argwöhnisch sah er sich nach dem französischen Gauner um, der es auf das Geld seiner Schwester abgesehen hatte.
    Er ging zu Dorothea hinüber und küßte sie. Sie legte beide Arme um seinen Hals und umarmte ihn zärtlich. Aus dem Augenwinkel musterte er den Franzosen.
    Er hatte im Geist zwei Bilder vor sich gesehen: einen dunklen öligen Typ von schäbiger Eleganz und mit einem herunterhängenden Schnauzbart, dessen Spitzen bis zum Kinn reichten, und einen
    Typ mit Vollbart, schwarzem Jackett, gestreiften Hosen, grauem Seidenschal und Brillantnadel darin - den Typ, den jeder, der nicht so gewitzt war wie John Pentecost, für einen Gentleman halten mußte.
    Der Mann, den er vor sich sah, entsprach keinem der beiden Bilder. Der braune Tweed seines Anzuges war so dick und so rauh wie John Pentecosts eigener Anzug. Und das gebräunte Gesicht sah aus, als seien ihm Sonne, Wind und Regen vertrauter als französische Salons. Er lachte herzlich und hatte den Arm liebevoll um Gaylords Schultern gelegt. John Pentecost war bereit, diesem Mann das größte Kompliment zu machen, das er einem Ausländer zu zollen imstande war: nach zwei Whiskies und bei richtiger Beleuchtung hätte man wahrscheinlich fast vergessen können, daß er kein Engländer war.
    Trotzdem, der Kerl war nun einmal kein Engländer, und John Pentecost hatte nicht die Absicht, das zu vergessen.
    «John», sagte Dorothea jetzt, «dies ist ein sehr glücklicher Augenblick für mich.» Sie tupfte sich zart die Augen mit dem Taschentuch und sah ihn dabei lächelnd an. «Das ist dein lieber neuer Schwager, Edouard Saint-Michel Bouverie.»
    John Pentecost hielt sich in sicherer Entfernung, nickte steif und knurrte: «Wie geht es Ihnen?»
    Zu seiner Überraschung nickte der Frosch ebenfalls steif mit dem Kopf und sagte tonlos: «Wie geht es Ihnen?»
    John war ganz gegen seinen Willen besänftigt. Für ihn zerfielen die Männer in zwei Gruppen. Die einen sagten, wenn man einander vorgestellt wurde: «Wie geht es Ihnen?» Die anderen sagten: «Sehr angenehm! Freut mich, Sie kennenzulernen.» Oder auch nur: «Hei!» Und wer sich nicht mit dem klaren, vernünftigen «Wie geht es Ihnen?» vorstellte - einerlei welcher Nationalität er war -, dem war weder zu helfen noch zu trauen. Er beschloß, eine freundliche Geste zu riskieren, und fragte höflich: «Comment ça va, hein?»
    «Bien, merci.» Der Franzose lächelte.
    «Bon.» Schweigen. Es dämmerte Opa, daß er, was das Französische betraf, sein Pulver verschossen hatte. «Bon», wiederholte er nach einigem Nachdenken. Edouard kam ihm zu Hilfe.
    «Dorothea hat mir erzählt, daß Sie gern fischen, Sir.»
    «Ja, Forellen.» Opa ließ sich in einen Sessel fallen. «Aber davon verstehen Sie ja wohl nicht viel, nehme ich an.»
    «Oh, ich habe ein paarmal in Schottland gefischt. Und vor allem natürlich in Irland.»
    Opa zog seinen Sessel etwas näher heran. Er wäre nie auf den Gedanken gekommen, daß Franzosen fischen konnten, ja, daß sie überhaupt imstande waren, irgend etwas anderes zu tun, als dem Essen, dem Trinken und der Liebe zu frönen. Er rückte noch ein Stückchen näher. Erstaunlich.
    May verließ das Zimmer. Und auch die anderen entschuldigten sich einer nach dem anderen und gingen hinaus. Schließlich saßen nur die beiden alten Herren noch im Wohnzimmer. Und als May ihnen eine Tasse Tee brachte, hörte sie, wie der Franzose gerade eine neue Geschichte zu erzählen begann. «Ich weiß noch, einmal, als ich oben am Dee fischte...»
     

10
     
    Wendy Thompson war klug genug, um zu wissen, daß nur Mut und Willenskraft ihr helfen konnten, aus ihrem zurückgezogenen Leben und ihrer Einsamkeit herauszufinden. Aber nun hatte sie einmal Mut aufgebracht - und schon saß sie in der Patsche. Aus ihrer ersten Unternehmung nach dem Tode ihrer Mutter war eine Kette von Niederlagen und Unglücksfällen geworden! Eine freundliche junge Frau hatte sie begrüßt, die so hübsch und von so strahlender Heiterkeit war, daß Wendy Thompson sich ihr gegenüber ganz klein und häßlich vorkam. Ihr Auto war zu Schrott gefahren worden. Dann waren nacheinander ein durchgedrehter kleiner Junge und ein alter Mann, der ihr zunächst einen Todesschrecken eingejagt hatte, erschienen und danach eine hochgewachsene,

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