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Lieber Frühling komm doch bald

Lieber Frühling komm doch bald

Titel: Lieber Frühling komm doch bald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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ist Tante Dorotheas Verlobter.» Edouard packte ihn freundschaftlich bei der Schulter. «Sie also haben diese schöne junge Frau der übrigen Welt gestohlen!» Eine Umarmung folgte: Er drückte seine rechte Wange an Peters rechte lind dann seine linke an Peters linke Wange. «Sie Glücklicher!»
    «Ja, ganz recht - gewiß», sagte Peter etwas verwirrt.
    Er sah zu seiner strahlenden Frau hinüber. Ja, klar, es stimmte schon, er konnte sich glücklich schätzen. Warum kam sie bloß auf so dumme Ideen... Rotkopf, ha! Dieser Franzose sollte nur mal eine Weile mit ihr Zusammenleben - er würde bald merken, daß er nicht nur auf Rosen gebettet war.
    Ich möchte bloß wissen, was geschieht, wenn er Schwiegervater auch auf beide Wangen küßt! dachte May. Sie blickte hinüber zu Tante Dorothea. Ob sie nicht gekränkt war angesichts der vielen Komplimente, die Edouard den anderen, jüngeren Frauen machte? Nein, Dorothea lächelte und nickte allen strahlend zu, wie die stolze Besitzerin eines kleinen Hündchens, das um Zucker bettelt.
    Die Tür öffnete sich. Achtung, jetzt geht’s los! dachte May. Aber es war nicht der alte Mann, es war zu ihrer Erleichterung Gaylord, der sich so unauffällig wie möglich ins Zimmer schob.
    Es war ihm keineswegs leichtgefallen, auf das geplante Versteckspiel zu verzichten und sich in den tantenreichen Raum zu wagen. Aber seine Neugier hatte gesiegt: Gaylord wollte den Frosch, den Franzosen, sehen.
    Wieder eine Enttäuschung. Der einzige Franzose, den er näher kannte, war Kaiser Napoleon, von dem ein Bild in der Klasse hing. Der hier hatte weder weiße Kniehosen noch einen spitzen Hut. Wie traurig. Er hatte sich umsonst in die Höhle des Löwen begeben!
    Und da breitete Großtante Dorothea auch schon die Arme aus und rief: «Da ist ja mein Bübchen. Hier, Edouard, das ist Gaylord. Komm, mein Schatz, gib deiner Tante einen Kuß.»
    Na, da war nichts zu machen. Bloß gut, daß Tante Bea nicht auch im Zimmer war. Zögernd kam er heran. Wie eine Fliege im Spinnennetz kam er sich vor, als sie die Arme um ihn schloß. Aber es kam noch schlimmer. «Und nun gib deinem Onkel Edouard einen Kuß», sagte Dorothea.
    Gaylord war entrüstet. Nicht einmal seine richtigen Onkel machten je den Versuch, ihm einen Kuß zu geben, und dieser Franzose war doch überhaupt gar kein richtiger Onkel. Aber Edouard sagte etwas, womit er sich für immer Gaylords Liebe und Bewunderung errang: «In England küssen sich die Männer nicht, Dorothea.» Und er schüttelte Gaylord fest und freundschaftlich die Hand.
    Gaylord war genauso enchanté wie die anderen. Zutraulich sagte er: «Komisch, und ich dachte zuerst, du wärst so wie Mr. Jeremy Fisher.»
    «So? Und wer ist Jeremy Fisher - ein Politiker?» fragte Onkel Edouard.
    «Nein, nein», sagte May hastig, «das ist eine Gestalt aus einem Buch von Beatrix Potter, Monsieur.»
    «Aha.» Er wandte sich wieder an Gaylord. «Und was für ein
    Mann ist denn dieser Mr. Jeremy Fisher? Ist er nett? Oder-» er zog ein finsteres Gesicht - «ist er ein Scheusal?»
    «Sehr nett ist er», sagte May, ohne viel Hoffnung, die Situation noch retten zu können.
    «Ein Mann, der gern fischen geht», warf Peter hilfreich ein. «Fischen Sie auch gern, Monsieur?»
    Dorothea, deren Gedanken sich langsam und selten lange in der gleichen Richtung bewegten, sagte: «John hat mich früher auch mal mitgenommen zum Fischen.»
    «Wirklich?» Begierig stürzte sich May auf diese sensationelle Mitteilung. «Und hat es dir Spaß gemacht, Tante Dorothea?»
    «Nein, gar nicht. Ich durfte nicht reden. John behauptete, die Forellen könnten jedes Wort hören. Aber-» sie schüttelte den Kopf - «er wollte wohl bloß, daß ich aufhörte zu reden.»
    Edouard lächelte und legte seine Hand auf die ihre.
    «Und überhaupt», fuhr Dorothea fort und blickte in die Runde, «habt ihr etwa jemals einen Fisch mit Ohren gesehen?»
    Gaylord hatte einige Zeit nachgedacht und verkündete jetzt laut: «Mr. Jeremy Fisher ist ein Froschherr.»
    Schweigen. Edouard machte ein erstauntes, resigniertes Gesicht, als hätte er im voraus gewußt, daß er als Franzose die Engländer nie begreifen würde. Doch plötzlich ging ihm ein Licht auf. Er lachte laut auf, zog Gaylord an sich und fuhr ihm durchs Haar. «Oh, mon brave! Was bist du für ein reizendes Kerlchen!» Er lachte immer noch und zeigte dann auf seine bequemen, aber tadellosen Schuhe. «Du hast wohl angenommen, ich hätte Schwimmhäute, wie?»
    Gaylord war begeistert.

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