Lieber Frühling komm doch bald
brachte nicht einmal mehr ein Lächeln zuwege. Es war erst ein paar Stunden her - und doch kam es ihm so lang wie ein Leben vor.
Gaylord schob seine kleine Hand in die große Hand seines Vaters. Er hielt es nicht für wahrscheinlich, daß er Mummi je wiedersehen würde. Und plötzlich wollte er sie Wiedersehen, ganz dringend. Er hätte gern geweint, aber das ging nicht. Er durfte Paps nicht noch trauriger machen.
«Henry Bartletts Tante haben sie auch mal mit dem Ambulanzwagen weggebracht», sagte er. Keine Antwort.
«Henry sagt, danach haben sie sie nie mehr gesehen.»
Sie kehrten ins Wohnzimmer zurück. Seltsam, dachte Jocelyn, May ist erst seit ein paar Stunden aus dem Haus, und schon ist alles anders geworden. Das Feuer brennt noch, die Blumen sind noch genauso frisch wie zuvor, die Gardinen sind zugezogen - aber es ist, als sei das Haus gestorben.
Nein, so ging es nicht! Er mußte überlegen, Entscheidungen treffen. Plötzlich hing alles an ihm, er war verantwortlich, mußte planen. Und das war etwas, was er absolut nicht konnte. Er wußte gar nicht, wo er anfangen sollte.
Gaylord sagte: «Paps, Julia und ich können Amanda baden. Nicht, Julia? Und dann geben wir ihr das Fläschchen, und dann gehen wir ins Bett. Du brauchst nur für dich und Opa was zu essen zu machen, das ist alles. Julia und ich können morgen das Geschirr abwaschen.» Jocelyn Pentecost sah seinen Sohn erstaunt an. «Wann hast du dir denn das alles ausgedacht?»
«Gar nicht, Paps. Das ist ganz von selber gekommen.» Beneidenswert, dachte Jocelyn. Alles, was ihm fehlte, hatte Gaylord anscheinend mit in die Wiege bekommen. Er ging in sein Arbeitszimmer und ließ sich auf seinen Stuhl fallen. Er dachte an die Tage, da er hier ruhig und friedlich gearbeitet hatte, während May unermüdlich in Haus und Küche tätig gewesen war. Wie wenig hatte er es ihr zu danken gewußt! Wie oft hatte er durch kleinliche Ärgernisse oder Unachtsamkeit die Sonne verdunkelt.
16
Hätte er doch die guten Tage zurückholen können! Wie glücklich wäre er jetzt gewesen über ein Lächeln seiner Frau, wie glücklich, wenn er sie draußen bei der Arbeit hätte singen hören! Oh, nie wieder würde er das alles als selbstverständlich hinnehmen! Er nahm es sich fest vor...
Er hörte die Stimme seines Vaters im Flur. «So, da können Sie ja gleich das Zimmer neben Gaylord beziehen, Miss Thompson -hier.»
Und dann Miss Thompson: «Vielen Dank, Mr. Pentecost. Ich will nur hoffen, daß ich auch alles schaffe.»
«Ach, natürlich. Mit mir jedenfalls werden Sie keine Schwierigkeiten haben, das brauche ich wohl kaum zu sagen.»
Das machte ihr anscheinend Mut. «Einiges weiß ich ja auch schon.» Sie lachte. «Mr. Jocelyn Pentecost bekommt Toast und Tee zum Frühstück, und Sie Eier mit Speck und Würstchen und Toast mit Marmelade.»
«Und Kaffee.»
«Ja, und Kaffee.»
Jocelyn trat aus seinem Zimmer. «Vater, kann ich dich - oh, guten Tag, Miss Thompson. Entschuldigen Sie. Vater, kann ich dich eben mal kurz sprechen?»
«Natürlich, mein Junge. - Richten Sie sich doch inzwischen in Ruhe ein, Miss Thompson.» Wohlgelaunt folgte er Jocelyn in dessen Arbeitszimmer. Er wußte, was Jocelyn auf dem Herzen hatte, aber bis Jocelyn gesagt hatte, was er sagen wollte, würde Miss Thompson längst ihre Sachen ausgepackt haben. Diesmal hatte er seinen Sohn vor vollendete Tatsachen gestellt.
Jocelyn schloß die Zimmertür. «Hör zu, Vater. Das ist ganz unmöglich. Das können wir nicht machen.»
«Mein lieber Junge, nun hör du mir erst einmal zu.» Er legte die Hand auf Jocelyns Arm. «Sie ist geradezu glücklich, uns helfen zu können.» Er sah seinen Sohn bewegt an. «Weißt du eigentlich, daß Miss Thompson im letzten Monat ihre Mutter verloren hat? Jetzt hat sie keinen Menschen mehr auf der Welt, die arme Person. Wir tun ihr geradezu einen Gefallen, glaub mir. Es wird sie auf andere Gedanken bringen.»
«Aber -»
Für John Pentecost gab es kein Aber. «Ich hab mich unterwegs im Auto mit ihr unterhalten. Weißt du, woran ich denken mußte?»
«An das erhörte Gebet eines alten Egoisten?» fragte Jocelyn boshaft.
Sein Vater überhörte die Bemerkung. «Sie kam mir vor wie ein erschöpfter Schwimmer, der auf einmal sieht, daß ihm jemand einen Rettungsring zuwirft. Ihre Dankbarkeit war rührend. » Er zog sein Taschentuch hervor und schneuzte sich laut und nachdrücklich.
Jocelyn schwieg. Er wußte, es gab noch einen anderen Grund. Die Tatsache nämlich, daß
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