Lieber Frühling komm doch bald
«Schade, schade. Ich hatte mir schon Hoffnungen gemacht.»
«Ich bitte um Entschuldigung», sagte er und ging weiter. Und da stand er endlich vor May. Blaß, aber wunderschön, lag sie in den Kissen. «Du kannst gern mit ihr reden, wenn du das lieber möchtest» , sagte sie, und die beiden Frauen sahen einander an und lachten über den Streich, den sie ihm gespielt hatten.
Er trat an ihr Bett und küßte sie, ganz erfüllt von Liebe und Zärtlichkeit. Und er wollte sie mit seiner Liebe umhüllen, aber irgendwie schien May nicht darauf zu reagieren. «Wie ein Luchs muß man aufpassen, was?» rief die andere Frau. «Ja, das muß man wirklich», sagte May. Jocelyn hatte mit seinem Irrtum offenbar für Unterhaltung gesorgt.
Er setzte sich auf den Bettrand und nahm ihre Hand. «Liebling, wie geht es dir? Ich habe solche Angst um dich gehabt.»
«Mir geht’s sehr gut. Ich weiß gar nicht, warum ihr euch so aufregt. Was machen die Kinder? Und du? Wie geht es dir, mein Liebling?»
Er lächelte sein zaghaftes Lächeln. «Mach dir keine Sorgen um uns, Liebes. Uns geht’s sehr gut. Aber - ist der Arzt auch wirklich mit dir zufrieden?»
«Ja, ja. Keine Sorge.» Sie lächelte und gab sich unbekümmert. Aber gleichzeitig drückte sie seine Hand, und er fühlte die Anspannung in ihrem Griff. «Nun hör mir mal ganz genau zu», sagte sie. «Ich habe inzwischen alles geregelt.»
Er erschrak. May sagte stolz: «Ich habe die Schwester überredet, mir das Telefon ans Bett zu bringen, und dann habe ich Elspeth Mackintosh angerufen.»
«Elspeth Mackintosh??!»
Sie legte sein Entsetzen falsch aus. «Ja, du, leicht war es nicht. Ich mußte sie beinahe kniefällig bitten, und sie hat mich zappeln lassen. Aber nachdem ich lange genug gebettelt hatte, versprach sie schließlich, ihre Sachen wieder auszupacken. Morgen ziehen sie und ihr Bruder ins große Haus.»
«Aber wie -?»
«Naja, ideal ist das nicht, ich weiß. Aber immerhin eine Lösung. Und dann seid ihr jedenfalls versorgt.» Sie lehnte sich zurück und wartete auf den Beifall.
Der Beifall blieb aus. Sie sah ihn scharf an. Er sagte: «Es hört sich wirklich fabelhaft an, May, und daß du das alles hier vom Krankenbett aus gedeichselt hast, ist wirklich phantastisch. Ich bin dir schrecklich dankbar.»
«Aber -?» sagte sie. Und er hörte das Eis klirren.
«Ja, Vater hat nämlich schon... Du kennst ja Vater -»
«Allerdings, ja. Der alte Herr, mit dem wir zusammen wohnen.»
«Nein, ich meine, du weißt ja, wie er ist.»
«Jocelyn», sagte sie gereizt, «als man mir hier das Telefon nicht bringen wollte, habe ich mit einem Rückfall gedroht. Und wenn du mir jetzt nicht sagst, was ihr angestellt habt, dann kriege ich einen, garantiert!»
«Wir haben gar nichts angestellt, nur Vater.» Es war sonst nicht Jocelyns Art, jemanden flußabwärts zu verkaufen. Aber er kannte die Sturmzeichen.
«Was hat er denn nun getan, um Himmels willen?»
«Er hat Miss Thompson geholt, damit sie uns den Haushalt führt. Oder so ähnlich.»
«Was soll das heißen: Oder so ähnlich?»
«Naja, also den Haushalt.»
«Und sie hat schon richtig angefangen?»
Er nickte. Ein langes Schweigen folgte.
«Wie reizend von ihr», sagte May schließlich.
«Ja», stimmte er vorsichtig zu.
Wieder Schweigen. Als May jetzt sprach, klang die Stimme gepreßt. «Daß ich von Natur aus eifersüchtig bin, tut natürlich nichts zur Sache.»
«Aber May - du bist doch nicht eifersüchtig auf die kleine Thompson?»
«Natürlich bin ich eifersüchtig.»
«May! Eine Frau wie du, und dann eifersüchtig auf so ein zerbrechliches kleines Ding?»
«Das ist es ja gerade: ihre Zerbrechlichkeit. Ist dir das nicht aufgefallen - von dem Augenblick an, als sie zu uns kam, hat jeder Mann im Hause sie unbedingt trösten, beschützen und beschirmen wollen. Sogar Gaylord. Aber meinetwegen -» er sah bestürzt, wie sich ihre Augen mit Tränen füllten - «wenn sie die Kinder füttert und euch alle gut versorgt, Liebling -»
«May, mach dir doch keine unnötigen Sorgen. Du vertraust mir doch?»
«Ja, von hier bis zum Gartentor», sagte sie kühl. Sie setzte sich auf mit traurig zerquältem Gesicht, nahm seine Hand und hielt sie ganz fest. Dann gab sie sich einen Ruck und sagte: «Ich kann mich doch darauf verlassen, daß du Miss Mackintosh anrufst und ihr sagst, daß wir sie nun doch nicht brauchen?»
«Ja, Liebling, natürlich.»
«Ehrlich gesagt, bin ich eigentlich ganz froh darüber. Sie hätte wahrscheinlich eine
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