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Lieber Frühling komm doch bald

Lieber Frühling komm doch bald

Titel: Lieber Frühling komm doch bald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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«Gaylord, was ist los? Wo ist Mummi?»
    «In Julias Zimmer. Sie sagt gar nichts. Vielleicht ist sie tot.»
    Ein gurgelnder Laut kam aus Jocelyns Kehle. Er stürzte aus dem Zimmer und lief mit klopfendem Herzen und bleischweren Beinen nach oben.
    May lag noch immer auf dem Fußboden, sie war sehr blaß. Er suchte verzweifelt nach dem Puls. Nichts. Aber es gelang ihm nie, den Puls zu finden. Herrgott, wie hilflos er war!
    Er schob ihr mit viel Mühe ein Kissen unter den Kopf. Gut. Aber ein Erfolg war nicht zu bemerken. Er lief hinaus in den Flur, wo Gaylord und Julia stehen geblieben waren. Julia sah ihn mit großen, angstvollen Augen an. Gaylord wurde, nachdem der erste Schreck vorüber war, offenkundig wieder hin und her gerissen zwischen Angst und seiner Leidenschaft für dramatische Situationen. Jocelyn rief den Arzt an und informierte seinen Vater. «Bestimmt eine Gehirnerschütterung», diagnostizierte der alte John Pentecost. «Sie muß mit dem Kopf aufgeschlagen sein, als der verdammte Hund sie umgeworfen hat.» Sie tat ihm ehrlich leid. Nur bedauerte er, daß seine sonst so tüchtige Schwiegertochter nicht schon vor dem Auszug der Gäste umgefallen war. Dann hätte Becky oder eine seiner beiden Schwestern sich verpflichtet gefühlt, zu bleiben und ihn zu versorgen.
     
    Jocelyn Pentecost fuhr mit in dem Ambulanzwagen, der die immer noch bewußtlose May ins Krankenhaus brachte. Sie müsse zunächst einmal unbedingt unter ständiger ärztlicher Aufsicht sein, hatte der Doktor gesagt. Er betrachtete das blasse Gesicht. Die schlimmsten Vorstellungen zuckten ihm durch den Kopf, wie sehr er sich auch dagegen wehrte. Aber trotz seiner Angst um May konnte er auch die anderen Probleme nicht vergessen. Gaylord, Amanda und jetzt auch noch Julia waren zu versorgen. Und sein Vater! Die geringste Veränderung im täglichen Ablauf, und sofort sprühte John Pentecost Funken. Nein, er, Jocelyn, war dem allen nicht gewachsen. Und dazu die Sorgen, die seine Arbeit ihm machte. Er sah ein unermeßliches Chaos vor sich - und das alles konnte durch den Ausfall der Arbeitskraft einer einzigen Frau entstehen!
     
    Zur gleichen Zeit fuhr Tante Bea unbekümmert mit ihrem Mini über die verschneiten Straßen und plauderte munter mit Edouard und Dorothea. Becky und Peter waren schon zu Hause angekommen und freuten sich auf einen langen friedlichen Abend zu zweit. Der Rotkopf war vergessen.
     
    Duncan Mackintosh saß im Wohnzimmer des Verwalterhäuschens und las in einem Fachblatt für Landwirte. Oben packte Elspeth ihre Sachen. Beide hätten gern ungeschehen und ungesagt gemacht, was am Abend zuvor geschehen und gesagt worden war, aber ihr Starrsinn verschloß beiden den Mund. Gesprochene Worte waren hier endgültig wie das Schicksal. Und Duncan tröstete sich mit dem Gedanken, daß Mrs. Pentecost eine Frau war, die einem Vertrauen einflößte. Sie war freundlich und sehr praktisch - ganz anders als ihr Mann. Trotzdem wurde es ihm schwer, ihr das Kind zu überlassen. Er seufzte.
    Es gab Leute — und die meisten seiner Angehörigen und Freunde zählten dazu -, die der Ansicht waren, John Pentecost sei nicht immer ganz frei von Selbstsucht. Wenn das stimmte, so traf es jedenfalls an diesem Sonntag nicht zu. Es war inzwischen schon Nachmittag, und er hatte noch nicht einmal einen Blick in den Observer getan, aber trotzdem beschloß er, sich jetzt erst einmal um die Kinder zu kümmern. Er legte Gaylord die Hand auf die Schulter und sagte: «Mach dir keine Gedanken um deine Mutter, meinjunge. Sie ist stark wie ein Brauereipferd. Sie wird’s schon schaffen.»
    «Sie sah so komisch aus», sagte Gaylord mit halb von Tränen erstickter Stimme und schluchzte. Plötzlich fiel ihm ein, daß ja jemand da war, der es wissen mußte. Er wandte sich an Julia und fragte: «Hat deine Mutter auch so ausgesehen, als sie-?»
    Julia sah ihn traurig an, sagte aber nichts. Opa kam mit einem Vorschlag. «Paß mal auf, Junge. Wir spielen jetzt Monopoly. Aber du mußt mir versprechen, daß du dir keine Sorgen mehr machst.»
    Es kam Gaylord nicht ganz passend vor, Monopoly zu spielen, wo doch eben Mummi in dem gräßlichen Ambulanzwagen weggefahren war. Aber er fügte sich. Schließlich war es Opas Vorschlag... Er holte das Spiel und machte dabei einen kleinen Umweg, um nachzusehen, ob Amanda ruhig schlief.
    Keiner spielte wirklich gut. Gaylord nicht, weil er sich vorstellte, wie die Männer die Bahre mit seiner zugedeckten Mummi aus dem Auto zogen und in das

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