Lieber Frühling komm doch bald
Miss Thompson sich offenkundig, so absurd das auch war, angezogen fühlte von einem Autor, dessen Bücher sie bewunderte. Aber das konnte er seinem Vater nicht sagen. Er gab sich also einen Ruck und sagte entschieden: «Gut, ich bin damit einverstanden, daß sie sich um die Kinder kümmert. Aber wir beide, du und ich, wir können für uns selber sorgen.»
«Ja, selbstverständlich, mein Junge, das können wir. Was machst du uns zum Abendbrot?»
Niedergeschlagen ging Jocelyn nach unten, um einen Blick in die Küche zu werfen. Gewiß, er konnte Spiegeleier braten, aber weiter reichten seine Kochkünste auch nicht. Deshalb war er trotz allem sehr erleichtert, als die Tür leise geöffnet wurde und Miss Thompson erschien.
«Mr. Pentecost, zuerst möchte ich gern wissen, wie es Ihrer Frau geht. Und dann sagen Sie mir bitte, was ich tun kann.»
Er war gerade dabei, das wenige zu berichten, was ihm der Arzt gesagt hatte, als sein Vater mit festen Schritten die Küche betrat. «Ah, da sind Sie ja, Miss Thompson. Ich glaube, nach so einem Tag wie heute sollten wir uns jetzt ein schönes kräftiges Abendessen gönnen. Meinen Sie nicht?»
«Ich wollte gerade vorschlagen, daß Miss Thompson sich um Amanda kümmert», sagte Jocelyn kühl.
«Oh, das hat noch Zeit. Die schreit, wenn sie Hunger hat.» Und um nicht hartherzig zu erscheinen, fügte er gefühlvoll hinzu: «Die arme Kleine. Ja. Wie steht’s denn nun mit dem Essen?»
Zweifellos, der Gedanke an ein warmes Essen war verführerisch. «Na schön, Vater», sagte Jocelyn, «wenn du Miss Thompson als Mädchen für alles betrachtest, und wenn Miss Thompson wirklich nichts dagegen hat, dann werde ich ihr zeigen, wo alles ist.»
«Ja, das tu nur», sagte der alte John Pentecost. In der Tür blieb er stehen, nahm die Zigarre aus dem Mund und meinte: «Ihr sagt Bescheid, wenn ich irgendwas helfen kann, ja?»
Miss Thompson nickte ihm lächelnd zu, und der alte Mann ging hinaus. Als sie allein waren, fragte Jocelyn streng: «Sagen Sie - hat mein Vater Sie überrumpelt?»
Sie lachte. Ja, tatsächlich, sie lachte. «Überrumpelt? Ich konnte ihn nur mit Mühe überreden, mich kommen zu lassen. Beinah kniefällig mußte ich ihn bitten.»
«Der Vorschlag kam also wirklich von Ihnen?»
Ihre großen Augen sahen ihn an. «Ja, natürlich. Ich möchte schrecklich gern alles tun, was ich kann. Wenn es Ihnen recht ist.» Sie hing an seinen Lippen.
«Ja - offen gesagt, ich wüßte wirklich nicht, was ich ohne Hilfe anfangen sollte. Aber —»
«Gut, dann ist es also abgemacht.» Sie sah ihn freudig erregt an. Dann wurde ihr Blick plötzlich ernst. «Sie haben schon Sorgen genug, aber eines möchte ich Ihnen doch noch sagen - etwas, was mir gestern abend passiert ist.» Sie erzählte ihm von der eingeworfenen Fensterscheibe. «Sehen Sie, deshalb ist es mir sogar angenehm, ein paar Tage nicht zu Hause zu sein.»
Er wurde sofort zum Beschützer. «Mein Gott, Miss Thompson, wie scheußlich. Und Sie glauben wirklich, es gibt da einen Zusammenhang mit dem Motorradfahrer unten am Fluß?»
Sie schwieg einen Augenblick. Dann sagte sie: «Wenn Sie mich fragen: ja. Ja, ich glaube es. Aber das ist ja schließlich nicht Ihre Schuld.»
Hier irrte sie. Die Schuld lag bei den Pentecosts. Oder genauer, bei seinem Vater. Sein Vater hatte Gewalt mit Gewalt vergolten. Und dieser eine Gewaltakt des alten Mannes zog immer weitere Kreise. Er sagte: «Wir sind alle schuld, Miss Thompson. Die Welt ist so, wie wir sie gemacht haben.»
«Sie nicht, Mr. Pentecost. Sie sind so - so gut.»
«Gut - ich?» Der Gedanke amüsierte ihn. «Ich bin wie Hamlet -jeder Mensch ist wie Hamlet. Ja - das hier also ist die Speisekammer. Da gibt’s allerhand Dosen: Suppen, Lachs, weiße Bohnen.»
«Ich glaube, Sie gehen zu streng mit sich ins Gericht, Mr. Pentecost. Hamlet hatte nicht Ihre ethischen Grundsätze. Minestrone -wäre Ihnen das recht, zu Beginn?»
«Ja, sehr - wenn wir den Parmesan finden können. Ohne Parmesan geht es nicht. Sie haben recht, an bürgerliche Moralprinzipien würde man bei einem Dänenprinzen der damaligen Zeit nicht unbedingt denken. Ah, hier ist der Parmesan. Aber was bedeuten schon bürgerliche Moralprinzipien?»
«Gar nicht wenig, möchte ich annehmen. Und wie wär’s dann mit Omeletts?»
«Ja, mit Schinken, das wäre sehr gut. Für Vater ist eine Mahlzeit ohne Fleisch keine richtige Mahlzeit. Nein, ich glaube doch, es ist nicht
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