Lieber Frühling komm doch bald
doch nicht zumuten. Lassen Sie nur, wir werden schon irgendwie durchkommen. Und meinem Sohn und auch mir kann es gar nichts schaden, einmal die Ärmel hochzukrempeln.»
Die Vorstellung, daß Jocelyn Pentecost nun die Ärmel hochkrempeln und im Haushalt zupacken mußte, statt zu schreiben, war ihr unerträglich. Das durfte nicht sein. Sie sagte: «Mr. Pentecost, ich bin nicht sehr tüchtig, aber wir haben gerade Ferien, und ich würde mich wirklich freuen, wenn ich irgendwie helfen könnte...»
Der alte Mann war noch tiefer gerührt. Aber standhaft erwiderte er: «Nein, Miss Thompson. Sie sind jung, Sie haben Ihr eigenes
Leben. Und unser Problem ist ja nicht unüberwindlich - so hoffe ich jedenfalls.»
«Aber es ist mir wirklich ernst, Mr. Pentecost.»
«Tatsächlich? Meinen Sie das wirklich? Also... also dann hole ich Sie in etwa einer Stunde ab», sagte John Pentecost. «Wo wohnen Sie?»
Sie beschrieb es ihm. «Dann packen Sie nur gleich Ihre Sachen», sagte er und legte den Hörer auf.
Wendy Thompson war ungefähr so zumute wie den Kindern Israel, als die Mauern von Jericho gefallen waren. Die Kapitulation war so plötzlich und so unerwartet gekommen -jetzt meldeten sich Bedenken und Zweifel. Ihr Satz «Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann» war durchaus aufrichtig gemeint gewesen, aber sie hatte dabei mehr an Dinge wie Einkäufe oder Aufpassen auf die Kinder gedacht. Und jetzt hatte sie auf einmal einen ganzen Haushalt zu versorgen! Und was verstand sie schon von Männern und Babies? Aber sie war natürlich bereit, und mit Freuden!
John Pentecost ging in die Diele und zog seinen Mantel an. Er war außerordentlich zufrieden mit sich. Noch vor wenigen Minuten hatte die Zukunft grau und trübe ausgesehen. Jetzt war, dank seinem Unternehmungsgeist und Takt, die Situation gerettet. Er sagte zu Gaylord: «Sowie dein Vater zurückkommt, muß ich noch mal fort, mein Junge.»
«Aber wir sind doch noch gar nicht fertig mit dem Spiel!» protestierte Gaylord, dem inzwischen auf dem Brett halb London gehörte. Er horchte auf. «Da kommt Paps - das ist sein Auto!» Er stürzte hinaus und öffnete die Haustür. «Paps! Wie geht’s Mummi?»
Jocelyn legte den Arm um Gaylords Schultern. «Es geht ihr schon ein bißchen besser. Sie liegt jetzt schön eingepackt in einem weißen Bett und hat es warm und gemütlich.»
«Kann sie atmen?»
«Ja, natürlich kann sie atmen.»
«O prima. Du, Opa hat so getan, als ob er zwölf gewürfelt hat. Dabei waren es bloß neun.»
John Pentecost erschien an der Tür. «Da bist du ja. Wie geht’s May?»
«Immer noch bewußtlos», sagte Jocelyn verzagt. «Sie können noch nichts sagen.»
«Tut mir wirklich leid, Jocelyn.»
«Danke. Und wie geht’s hier? Ist Amanda aufgewacht?»
«Nein. Um die anderen beiden habe ich mich gekümmert», sagte er zufrieden.
Jocelyn stand da, schmal und blaß. «Eine scheußliche Situation, Vater. Vor allem mit Amanda. Ich weiß gar nicht, wie wir ohne May fertig werden sollen.»
Der alte Mann klopfte ihm auf die Schulter. «Ist alles schon geregelt, mein Junge. Ich fahre jetzt und hole Hilfe: Haushälterin, Kinderfrau, egal wie du sie nennen willst.»
«Wer ist es denn?» Jocelyn hatte sich auf der ganzen Heimfahrt den Kopf zerbrochen, wer ihnen helfen könnte, aber es war ihm niemand eingefallen.
«Wendy Thompson», sagte Opa und lächelte selbstzufrieden.
«Was? Die kannst du doch nicht bitten!»
«War gar nicht nötig. Sie hat sich selber angeboten. Ich muß jetzt weg. Sie hat ihre Sachen gepackt und wartet auf mich.»
«Vater», sagte Jocelyn drängend, «das geht nicht! Das geht wirklich nicht.»
«Und warum nicht?»
Das wußte Jocelyn nicht. Er wußte - er wußte nur ganz bestimmt, daß May während ihrer Abwesenheit lieber eine Schlange im Hause hätte als die kleine, unschuldige und nicht übermäßig attraktive Miss Thompson.
«Ich muß fort», sagte sein Vater und ging hinaus.
Nie im Leben war Jocelyn Pentecost sich so verzweifelt einsam vorgekommen. Ja, es war mehr als Einsamkeit, er kam sich amputiert vor.
Dabei hatte sich der Arzt ganz beruhigend geäußert. Wir müssen Ihre Frau eine Weile beobachten, nichts weiter, Mr. Pentecost, für alle Fälle. Aber Ärzte konnten sich irren, vor allem bei Kopfverletzungen. Jocelyns Phantasie arbeitete fieberhaft und steuerte sämtliche noch fehlenden Details bei. Gestern morgen noch hatte sie lachend und strahlend draußen im Schnee gestanden - und nun lag sie im Krankenhaus und
Weitere Kostenlose Bücher