Lieber Frühling komm doch bald
Mackintosh durch die hintere Tür in die Küche hereinmarschiert kam, einen großen Koffer abstellte, Wendy von oben bis unten musterte und fragte: «Sind Sie nicht Julias Lehrerin, die, die dauernd von Ballettunterricht schwatzt?»
«Ja, ich bin Julias Lehrerin», sagte Wendy. «Und ich finde es schade, daß man ihr nicht erlaubt zu tanzen, wenn sie es sich so sehr wünscht.»
«Ach. Und darf ich fragen, was Sie mit der Pfanne da machen?»
«Mr. John Pentecost hat mich gebeten, im Hause zu helfen -»
«So? Nun, Mrs. Pentecost hat mich gebeten, den Haushalt zu übernehmen, solange sie im Krankenhaus ist. Sie können also nach Hause gehen.»
«Ich denke nicht daran, nach Hause zu gehen.»
Eiskalte Wut stieg in Miss Mackintosh auf. Mrs. Pentecosts Hilfeschrei war Musik in ihren Ohren gewesen. Nun konnte sie bleiben, ohne ihrem Bruder gegenüber das Gesicht zu verlieren. Sie konnte wohlwollend und herablassend gegenüber Mrs. Pentecost auftreten. Sie konnte dem kleinen Bengel ein bißchen Disziplin einbleuen und dem jungen Mr. Pentecost, diesem Träumer, auch einmal gründlich die Meinung sagen. Sie hatte plötzlich Mach t- und keine blasse Schullehrerin sollte sie ihr nehmen. Sie stellte sich in Positur und sagte: «Den Ton lassen Sie gefälligst, Miss Thompson. Es ist alles abgemacht.»
Wendy hatte große Lust, Miss Mackintosh die Pfanne über den Schädel zu schlagen, und sie hätte es vielleicht sogar fertiggebracht, wenn nicht Gaylord jetzt hereingekommen wäre. Beim Anblick von Julias Tante erstarrte er, als sähe er die weiße Nonne mitten in der Küche vor sich. Bevor er sich fassen konnte, sagte Miss Mackintosh: «Na, mein Junge, wo deine Mutter im Krankenhaus ist, hast du wohl gedacht, du brauchst dir heute morgen den Hals nicht zu waschen, was?»
«Klar», sagte Gaylord. Sie hatte den Nagel auf den Kopf getroffen. Er schob die Unterlippe vor. «Ich denke, Sie sind fort», sagte er niedergeschmettert.
«Nein. Deine Mutter hat mich gebeten, ich soll bleiben und euch alle versorgen.»
«Aber Miss Thompson versorgt uns doch.» Er ging hinüber und stellte sich neben Wendy, die ihm den Arm um die Schultern legte. Er war erschüttert. So etwas sollte Mummi getan haben? Nie! Mummi hatte ihre Fehler, das wußte er ohne weiteres. Aber es war ausgeschlossen, daß sie ihn und Paps dieser Frau da überließ.
Gaylord hatte die Tür offen gelassen, und jetzt kam Julia summend und auf den Zehenspitzen tanzend herein. Tante Elspeth war abgereist nach Schottland - was für ein herrlicher Tag! Lächelnd drehte sie sich im Kreis.
Ihr Lächeln erstarb, das Summen brach ab. Sie erstarrte. «Tante Elspeth... Ich dachte —»
«Aye. Du dachtest, ich reise ab und lasse dich hier bei fremden Leuten, nicht wahr? Nein, Kind, ich hab noch ein Herz im Leib», sagte sie selbstzufrieden.
Gaylord sah aus, als bezweifle er das. Miss Thompson sah die Angst in Julias Augen und sagte: «Laß nur, Julia. Hab keine Angst. Es ist noch nichts entschieden.»
«Und ob», widersprach Elspeth Mackintosh grob. «Alles ist entschieden!»
Die Atmosphäre war geladen. Und in diesem Augenblick kam Jocelyn Pentecost die Treppe herunter und trat in die Küche.
Als Jocelyn erwachte, hatte er nur einen Gedanken gehabt: im Krankenhaus anrufen. Er zog seinen Bademantel an, ging in sein Arbeitszimmer und telefonierte. Mrs. Pentecosts Zustand war zufriedenstellend.
Zufriedenstellend. Kein gutes Wort. Aber als er den Hörer zurücklegte, regte sich etwas in seinem Kopf, eine undeutliche Erinnerung. Telefon. Er sollte telefonieren. Jemand hatte ihn gebeten. Ach je, May hatte ihn gebeten -
Die furchtbare Wahrheit stürzte auf ihn nieder. Er hatte am Abend zuvor Miss Mackintosh anrufen sollen. Er sah auf seine Uhr. Der Zug war vor einer Stunde abgefahren - ohne Miss Mackintosh natürlich, weil er vergessen hatte, sie anzurufen. Schlimmer noch: sie stand wahrscheinlich schon unten in der Küche und spielte die Hausfrau. Der Widerwille, der in ihm aufkam, sobald es um die beiden Mackintoshs ging, schwoll an wie ein Luftballon. Er hatte zwei Möglichkeiten. Er konnte jetzt baden, sich rasieren und sich anziehen und hoffen, daß inzwischen irgend jemand, sein Vater oder das Schicksal, das Problem löste. Oder er mußte hinuntergehen und sich der — vermutlich grauenhaften -Szene stellen. Er hielt sich an Shakespeare: «Sei kühn und fest», murmelte er, besann sich nicht länger und stieg nach unten - ein zaghafter Macbeth.
Miss Mackintosh musterte
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