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Lieber Frühling komm doch bald

Lieber Frühling komm doch bald

Titel: Lieber Frühling komm doch bald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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Der Nachmittag blieb grau und still. Der Schnee schmolz. Schwarz hoben sich die kahlen Bäume von dem trüben, verhangenen Himmel ab. Ein Fischreiher flog mit trägem Flügelschlag über das Schilf. Nichts regte sich.
    Gaylord trottete einsam und verloren durch den dämmerigen, feucht-kalten Nachmittag. Er machte sich große Sorgen.
    Er kam zum Fluß. Schwarz und eisig floß das Wasser dahin. «Schultz!» rief er, so laut er konnte. «Schultz!» Der Fluß stöhnte und seufzte - es war der einzige Laut neben dem Tröpfeln des schmelzenden Schnees. Gaylord dachte daran, wie lustig Schultz im Schnee gebellt hatte. Er spähte hinunter an den Uferrand, wo das Wasser kleine Strudel bildete. Er sah ein braunes Blatt, das vom Wasser hin und her bewegt wurde — es sah fast so aus wie ein Ohr. Er wollte dem Blatt einen Stups geben, damit es weitersegelte. Er fand einen Stock und stieß es an. Es schwamm nicht weiter. Er stieß noch einmal vorsichtig nach. Es fühlte sich sonderbar fest an. Und als er näher hinsah, wußte er plötzlich, was es war...
    Ernst und tief in Gedanken versunken ging Gaylord nach Hause. «Paps», sagte er, «ich glaube...»
    «Ja, mein Junge?» fragte sein Vater liebevoll.
    «Ich glaube, Schultz liegt im Wasser», sagte Gaylord. Und dann
    stürzte er davon und erreichte gerade noch das Badezimmer, ehe er sich übergeben mußte.
     
    Derek Bates und seine Freunde hatten ganze Arbeit geleistet. Jetzt saßen sie triumphierend zusammen und feierten ihre Tat. Sie hatten Rache genommen und dem Alten eine Lektion erteilt. Wer wohl als erster den toten Hund entdecken würde, der kleine Junge oder der alte Knacker? Die würden staunen! Sie hatten selber schuld! Mit Derek Bates konnten sie nicht umspringen, wie es ihnen paßte. Und der Alte sollte sich nur nicht denken, daß sie jetzt schon quitt mit ihm waren. Oder mit seiner Familie. Nein. Derek und seine Freunde hatten noch ein paar weitere lustige Pläne, und sie konnten es kaum abwarten, sie in die Tat umzusetzen.
     
    Müde und verzagt ging Jocelyn ans Telefon und rief bei der Polizei an. Der Beamte schien nicht sehr beeindruckt, versprach aber, sofort ein paar Männer zu schicken, die den Hund bergen und auf Anzeichen eines gewaltsamen Todes untersuchen sollten.
    Gaylord wollte zum Fluß hinuntergehen und Zusehen. Jocelyn verbot es ihm. «Bitte, Paps! Bitte !» sagte er.
    «Also gut», gab Jocelyn nach und dachte traurig, daß der Junge in eine Welt hineinwuchs, die immer härter und brutaler wurde. Also mochte er sehen, was Gewalt angerichtet hatte. Diesmal war es ein Hund, beim nächsten mal vielleicht - «Ich komme mit», sagte er.
    Die Polizisten arbeiteten im Licht der Autoscheinwerfer. Das Wasser schimmerte dunkel und ölig, der Schnee glitzerte weiß. Aufgestörte Wasservögel flatterten aufgeregt umher. Außerhalb des grellen Lichts lag eine schwarze, bedrohlich wirkende Welt.
    Gaylord hielt die Hand seines Vaters ganz fest gepackt. «Nicht gucken, Junge», rief der Sergeant, als sie den Hund aus dem Wasser zogen. «Nicht gucken», sagte auch Jocelyn und zog Gaylord an sich. Ungeduldig wandte Gaylord sich von ihm ab. Er starrte hin, mit weit geöffneten Augen. Und da kam Schultz zum Vorschein, schlaff und leblos. Wasser lief an ihm herunter. Gaylord gab einen halberstickten Ton von sich. Aber er sagte nichts. «Auch noch den Hals durchgeschnitten», murmelte jemand. «Schnauze halten!» sagte eine andere Stimme ärgerlich. Sie deckten Schultz mit einem Tuch zu, legten ihn in den Wagen und fuhren mit ihm fort. Am Fluß war wieder alles dunkel.
    «Kommst du, mein Kleiner?» fragte Jocelyn ruhig.
    Aber Gaylord stand noch immer da und starrte. Er hatte schon manchmal Tote gesehen: Kaninchen, Mäuse, eine Katze und sogar Großtante Marigold. Und er hatte es immer furchtbar interessant gefunden. Aber Schultz war sein Freund gewesen...
     
    Am gleichen Abend fragte May ihren Mann: «Ist übrigens Schultz zurückgekommen?»
    «Ja, ja», sagte Jocelyn betont munter.
    May sah ihn forschend an. «Unverletzt?»
    «Ja, ja, natürlich unverletzt.»
    «Wieso natürlich?» Ihr Blick wurde noch bohrender. «Jocelyn, du weißt, es hat keinen Zweck, mir etwas vorzumachen. Was ist los?»
    «Ich wollte dich nicht beunruhigen.»
    «Du beunruhigst mich weit mehr, wenn du mir nicht die Wahrheit sagst.»
    Er kapitulierte. «Jemand hat ihn umgebracht und in den Fluß geworfen.»
    Sie hielt den Atem an und griff nach seiner Hand. «Wie entsetzlich - das arme Tier! Und

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