Lieber Frühling komm doch bald
Mackintosh im Schulflur, als der Unterricht zu Ende war. «Guten Tag, Miss Thompson. Meine Tochter trägt keine abgelegten Schuhe.»
Wendy sah ihn an und mußte trotz allem lachen. «Das sind keine abgelegten Sachen, Sie Dummkopf! Die Schuhe sind ein Andenken. Der Mann, der sie Ihrer Tochter schenkt, ist genauso traurig wie ich, daß Sie Julia nicht tanzen lassen.»
Der «Dummkopf» schien ihn gekränkt zu haben. Er sagte steif: «Es tut mir leid. Und es tut mir auch leid, wenn Sie mich für einen Dummkopf halten. Aber ich will auch nur das Beste für Julia.»
«Und Sie glauben wirklich, wenn sie Polizistin oder Stenotypistin wird, das wäre für sie das Beste!»
«Das habe ich nicht gesagt.» Er sah sich suchend um. «Ob wir... Können wir vielleicht irgendwo in Ruhe ein paar Worte reden, Miss Thompson?»
«Aber natürlich, gern.» Sie führte ihn in ihr leeres Klassenzimmer. Dort ließ sie ihn am Rand des Podiums Platz nehmen und setzte sich neben ihn.
Er blickte so lange schweigend vor sich hin, daß sie schließlich fragte: «Wie geht es Ihrer Schwester?»
Er saß, die Ellbogen auf die Knie gestützt da und betrachtete seine Hände, die er abwechselnd verschränkte und wieder voneinander löste. «Mit meiner Schwester...das läuft nicht sehr gut, Miss Thompson.»
Sie war nicht erstaunt. «Aber sie ist doch bei Ihnen?»
«Aye.» Er überlegte und fügte dann hinzu: «Ich will auch nur das Beste für mein Kind.»
Sie wartete. Er fuhr fort: «Ich dachte, ich wüßte, was für alle und alles das Beste ist.»
Er schlug die Faust in die offene Hand und wandte sich ihr zu. «Aye. Und bei meiner Arbeit weiß ich das auch, das stimmt. Aber die letzten Monate - ohne meine Frau -»
Wieder hielt er inne. Dann sagte er hilflos: «Ich meine... ich wollte sagen, in persönlichen Beziehungen, da -»
«Ja. Ich verstehe.»
Diesmal dauerte das Schweigen fast eine Minute.
Dann sagte sie leise und zögernd: «Wenn Sie einmal etwas Näheres wissen möchten über die Ausbildung und den Beruf der Balletttänzer, könnte Ihnen Monsieur Bouverie sicher helfen. Und es würde ihm auch eine Freude sein, finanziell dazu beizutragen. Aber das würden Sie ja bestimmt nicht wollen», fügte sie eilig hinzu.
«Aye. Wenn Julia zum Ballett geht, dann bezahle ich es allein.» Er sah sie von der Seite her an. «Ich bin kein Bettler, Miss Thompson.»
«Um Gottes willen, nein.» Sie stand auf. «Überlegen Sie es sich noch einmal, Mr. Mackintosh. Sie werden es sicher mit Ihrer Schwester besprechen wollen, nicht wahr?»
Auch er war aufgestanden. «Das wird kaum nötig sein.» Und mit einem Anflug seiner alten Arroganz fügte er hinzu: «Meine Entscheidungen treffe ich allein, Miss Thompson.»
Sie sah ihn voller Bewunderung an. «Das brauchen Sie mir nicht zu sagen, Mr. Mackintosh.» Sie hielt ihm die Hand hin. «Aber ich wollte noch etwas sagen: Wenn Sie etwas unternehmen wollen, lassen Sie es mich wissen. Vielleicht kann ich Ihnen helfen. Auf Wiedersehen.»
«Aye. Danke. Auf Wiedersehen.» Er wurde bereits von ihr zur Tür dirigiert und war ein wenig erstaunt, daß das Gespräch schon zu Ende war. Hoffentlich verlor Miss Thompson nicht das Interesse an Julia.
Wendy schloß die Tür hinter ihm. Dann tanzte sie langsam und feierlich auf den Zehenspitzen einmal im Klassenzimmer herum.
John Pentecost stand vor dem Spiegel und musterte sich zufrieden. Man konnte sagen, was man wollte, aber eine gewisse Korpulenz paßte recht gut zum Gehrock, brachte ihn erst richtig zur Geltung. Er nahm die weiße Nelke und hielt sie an das schwarze Revers.
Dann musterte er sorgfältig seinen schmalen weißen Schnurrbart. Jedes Härchen saß. Befriedigt nahm er Hut und Handschuhe und schritt majestätisch die Treppe hinunter.
May, die beim Ankleiden war und noch hundert andere Dinge zu erledigen hatte, dachte: Wir gehen jetzt alle aus dem Haus und bleiben Stunden fort, und jedermann kann sehen, daß niemand da ist. Wenn nur nichts passiert! Es wäre nicht auszudenken. Es war schon zwei oder drei Wochen her, seit Gaylord die Flasche gefunden hatte. Vielleicht hatte der Quälgeist von ihnen abgelassen, sagte sie sich. Aber sie glaubte es selber nicht recht.
Im Verwalterhaus hatte Elspeth Mackintosh sich gerade ihren Hut aufgesetzt. Der Anblick ihres Bruder im grauen Anzug und
...sagte Miss Mackintosh zu ihrem Bruder. Das wird es sein! Nun wundert’s einen nicht mehr, daß er vor zwei Seiten zu Miss Thompson gesagt hat, er wolle alles allein
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