nicht.»
Tief im Innern hatte Wendy die Hoffnung gehegt, daß sie eines Tages wiederkommen und daß man sie vielleicht sogar als Freundin der Familie akzeptieren würde. Das war jetzt unmöglich geworden.
«Und was hat deine Mutter gesagt?» fragte sie mit heiserer Stimme.
«Sie hat bloß
gesagt.»
«Sonst nichts?»
«Nein, sonst nichts.»
Sie nahm ihn plötzlich in den Arm und küßte ihn. «Oh Gaylord, du schlimmer Nichtsnutz!»
Er verstand wieder einmal nichts. Anscheinend war Miss Thompson etwas durcheinander im Kopf, deshalb wollte er sie trösten: «Macht nichts, Miss Thompson. Mich können Sie immer noch heiraten. Jederzeit», fügte er großmütig hinzu.
«Vielen Dank, mein Junge», sagte sie herzlich.
Gaylord stieg aus und rief: «Auf Wiedersehen, Miss Thompson!» Dann ging er den Uferweg zurück und trat mit den Schuhspitzen melancholisch gegen die Grasbüschel am Wegrand.
Ehe er ins Haus ging, schlenderte er über den Hof und warf einen Blick in den Heuschober.
Auf dem Boden lag eine Milchflasche. Und Milchflaschen, das wußte er von Opa, mußte man aufbewahren, denn es gab nicht mehr viele. Ihm gefiel auch das blanke Glas, die hübsche Form und der Aufdruck «Ingerby Co-op» und «Genossenschaftliche Meierei». Er hob die Flasche auf. Sie war schwer und roch nach Benzin, und oben steckten lauter schmutzige Stoffetzen darin. Er warf die Fetzen in die Mülltonne, goß das Benzin aus, wusch die Flasche sorgfältig unter dem Wasserhahn auf dem Hof aus und brachte sie seiner Mutter. «Hier, Mummi, sieh mal. Die hat jemand einfach liegen lassen. Voll Benzin und alten dreckigen Fetzen.»
«Benzin?» May horchte auf.
«Ja, so hat es gerochen.»
Sie war heimgekommen, heim zu Mann und Kindern. Sie hatte ihr Glück so intensiv genossen, wie man es nur nach einer Zeit der Entbehrung genießen kann. Sie hatte auch gewußt, daß es nicht ewig dauern würde. Doch auf eine kleine Frist hatte sie gehofft. Nun war es erloschen - vernichtet von einer Milchflasche und einem einzigen Wort. «Was hast du mit den Fetzen gemacht?» fragte sie.
«In die Mülltonne geschmissen.»
«Und das Benzin?»
«Das habe ich ausgekippt.»
«Und die Flasche hast du ausgewaschen?»
Er nickte.
«Fein, mein Kleiner - für die Vernichtung von Beweismitteln bekommst du den ersten Preis.»
«Ist das was Gutes?» fragte er hoffnungsvoll.
«Kommt drauf an.»
Später berichtete sie Jocelyn. «Es muß eine Benzinbombe gewesen sein», sagte sie. «Aber Gaylord hat dafür gesorgt, daß nur noch eine saubere Milchflasche übrig ist.»
«Damit können wir bei der Polizei wohl kaum Eindruck machen.»
«Eindruck? Bestimmt nicht. Die denken sowieso, wir haben fixe Ideen.»
Sie saßen am Kamin und blickten in die Flammen.
«Zweimal haben sie Miss Thompson Angst eingejagt», sagte May. «Dann haben sie Schultz umgebracht. Und nun — eine Benzinbombe im Heuschober. Ich habe Angst, Jocelyn.»
Er sagte nichts.
«Feuer - vielleicht in der Nacht», sagte sie halblaut. «Oder die Kinder. Ich darf sie nicht mehr aus den Augen lassen.»
«Ja, es ist eine Schande», sagte er. Und dann sah er erstaunt, daß die sonst so tapfere und beherrschte May weinte. Er nahm sie in die Arme.
«Es war so schön, nach Hause zu kommen», sagte sie. «Und nun haben sie alles verdorben.»
«Das tun sie immer, mein Liebes.»
«Wer?»
«Die Zerstörer.»
«Ach so, du denkst schon wieder an deine Theorie.» Sie mußte lächeln. Dann sagte sie ernst: «Aber warum, Jocelyn? Warum wollen sie zerstören?»
Es war April, aber noch immer war es nicht Frühling geworden. In Ingerby fand die monatliche Zusammenkunft des Klubs der Literaturfreunde statt, diesmal mit einer Lesung von Jocelyn Pentecost.
Miss Thompson saß beklommen in der hintersten Reihe. Eigentlich hatte sie gar nicht kommen wollen. Nach Gaylords Enthüllungen hatte sie das Gefühl gehabt, sie könne weder Jocelyn Pentecost noch seiner Frau je wieder in die Augen sehen. Aber sie hatte sich dann doch anders besonnen. Es war ihre Pflicht, dabeizusein. Aber sie wollte im Hintergrund bleiben, und vermutlich hatte er ja auch ihre Verbindung mit dem Klub längst vergessen und würde sie gar nicht bemerken.
Etwas unsicher betrat er den Saal. Wendy Thompson wußte, daß es ihre Aufgabe gewesen wäre, ihm entgegenzugehen und ihn mit der Vorsitzenden bekannt zu machen. Doch sie rührte sich nicht. Die Vorsitzende würde sich schon zu helfen wissen. So war es dann auch: Sie führte Jocelyn