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Lieber Frühling komm doch bald

Lieber Frühling komm doch bald

Titel: Lieber Frühling komm doch bald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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verloren.» Sie lachte. «Er braucht eine Frau, die ihn sicher durch das Labyrinth menschlicher Beziehungen geleitet.»
    Wendy merkte, wie sie rot wurde. Mit soviel Verständnis hatte sie nie gerechnet. «Unter uns, Mrs. Pentecost, er hat mir eine Art Antrag gemacht. Aber ich konnte mich nicht -»
    «Sie täten ihm einen sehr großen Gefallen, da bin ich mir ganz sicher. Und das Kind, die kleine Julia...»
    Die beiden Frauen sahen einander lächelnd an. Wendy schüttelte den Kopf und sagte: «Ich danke Ihnen sehr für Ihr Verständnis, Mrs. Pentecost. Aber jetzt muß ich wirklich gehen.»
    Es war schon fast dunkel, als sie nach Hause fuhr. Niemand versperrte ihr den Weg, niemand behelligte sie unten am Fluß.
     

22
     
    In der Scheune rauchte und qualmte es noch, aber die Gefahr war vorüber. «Ich möchte bloß wissen, wie das Feuer entstanden ist», sagte John Pentecost und sah seinen Sohn und seine Schwiegertochter mit düsterem Blick an. «Könnte auch Brandstiftung sein. Der Junge damals...»
    Mr. Mackintosh war hereingekommen. «Mr. Pentecost», sagte er, «ich habe etwas gefunden: ein Motorrad. Im Graben, ganz in der Nähe der Scheune.»
    «Ein Motorrad?»
    «Ich habe gedacht, ob es vielleicht dasselbe ist wie—»
    «Ich komme mit», sagte John Pentecost.
    Das Motorrad war halb verdeckt vom Buschwerk. Mr. Mackintosh richtete den Strahl seiner Taschenlampe darauf. Wie ein lauerndes, geducktes Tier stand die Maschine da.
    «Irgendwo habe ich mir damals die Nummer notiert.» John Pentecost zog eine Handvoll Umschläge und Zettel aus der Westentasche und untersuchte sie im Licht der Lampe. «Da haben wir’s ja schon.» Erlas die Nummer, die er auf die Rückseite eines Umschlags gekritzelt hatte, und blickte auf das Motorrad. «Ja, das ist sie.»
    «Also Rache», sagte Mr. Mackintosh. «Schön, Rache kann er haben. Wenn das Motorrad hier ist, ist der Kerl auch hier. Ich warte, bis er kommt. Den kriege ich.»
    «Den kriegen Sie», sagte John Pentecost.
     
    Aber Derek Bates holte sein Motorrad nicht ab. Und schließlich sagte der alte John Pentecost: «Mein Gott, er wird doch nicht—»
    «Was?» fragte Jocelyn.
    «Ach, nichts», sagte sein Vater. Der Gedanke war zu furchtbar. Aber er konnte ihm nicht ausweichen. Immer wieder dachte er: Und wenn es nun doch so wäre? Was habe ich ausgelöst, damals, als ich Gewalt mit Gewalt vergalt?
    «Das Motorrad liegt immer noch da, Mr. Mackintosh. Bitte, rufen Sie die Polizei an.» Und zu sich selbst sagte er: «Ich muß es wissen.»
     
    Derek Bates’ Tod verursachte wenig Aufsehen. «Tödlicher Unfall» stand über dem kurzen Artikel in der Lokalzeitung, in dem - unmittelbar neben der Meldung «Achtzigjähriger heiratet» - über die polizeilichen Ermittlungen berichtet wurde. Dazu ein unscharfes Foto - ein Halbwüchsiger wie tausend andere in Ingerby. Seine Freunde waren nicht weiter überrascht. So etwas hätten sie Derek immer zugetraut, sagten sie. Einer, der immer Ärger machte und immer reinrasselte. Ein verrückter Kerl. Seine Lehrer waren erschrocken, aber auch sie wunderten sich nicht.
    Sein Vater gab der Gesellschaft die Schuld. Damit war der Fall für ihn erledigt. Und seine Mutter beschuldigte alle möglichen Leute - die Freunde, die Lehrer, den Vater, die Polizei, den alten Mann, dem die Scheune gehörte - weil er sie nicht abgeschlossen hatte. Darüber vergaß sie ganz, um ihren Sohn zu trauern.
    Derek, der arme Teufel, fuhr ein letztes Mal über die Straße am Fluß nach Ingerby - statt mit hundertsechzig Sachen diesmal in einem langsamen Leichenwagen zum Krematorium. Er wurde neben seinem Großvater beigesetzt.
     
    Und wenn ich ihn damals nicht gezwungen hätte, seine Maschine ins Wasser zu schmeißen, dachte der alte John Pentecost, dann würde er jetzt noch leben - und noch mehr Kinder und alte Leute ängstigen: alle, die schwächer wären als er. Aber niemand hat mich zu seinem Richter bestimmt.
    «Das ist absoluter Unsinn, Schwiegervater», sagte May energisch. «Es ist eine schreckliche und tragische Geschichte, ich weiß. Aber es war ein tödlicher Unfall. Und es hat auch nicht mit dir und dem Motorrad angefangen. Es fing damit an, daß er Julia auf der Wiese erschreckt und gequält hat. Und das wiederum damit - ja, womit wohl? Irgendwann in seiner frühen Kindheit vermutlich. Wer weiß...»
    «Gleich wirst du mir noch mit Freud kommen», sagte John Pentecost. «Vielen Dank.»
    «O nein, das tut sie bestimmt nicht», sagte Jocelyn. «Du kennst doch

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