Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
Vom Netzwerk:
allem sehen, von der Kohle gar nicht zu reden. Und wer könnte ihr das verdenken, hm?«
    »Du hättest dich genauso verhalten, wenn es geheißen hätte: du oder sie«, sagte ich.
    »Heute vielleicht. Damals nicht. Damals war mir Freundschaft was wert.«
    Ich ließ meinen Ärger an den runzligen Oliven aus, die wie Kaninchenkacke in der Salatbeilage verstreut waren. Er hatte recht. Sie hatten es kinderleicht gehabt mit ihr. Sie hatten sie für Seethru mit einer großen rosa Schleife verpackt, und das war es, was mir an der Platte nicht gefiel. Da war nicht mehr viel übrig von der Carla, die ich kannte. Keith schenkte mir nach.
    »Und du?« fragte ich. »Du hast nicht mal versucht, dabeizubleiben, nicht wahr? Um der Kunst willen.«
    Keith nahm einen Schluck Wein, stopfte sich die heruntergefallene Serviette in den Kragen und blies die Wangen auf. Seine Krawatte war lose und sein dunkles Haar verweht. »Yeah, schön. Vermutlich dachte ich, daß ich nie wieder so nah rankommen würde. Carla Blue and Big waren perfekt zusammen. Als sie uns gespalten hatte, waren wir weniger als die Summe der Teile, verstehst du? Aber eins muß man noch sagen. Carla hat die frühen Sachen nicht selbst gemacht. Mick hat das meiste geschrieben, weißt du. Er war der Producer, nicht Carla. Und das Image? Das Image, das eine Million eingebracht hat? Das war meine Idee. Big und Carla Blue waren meine Idee. Aber die Leute haben sich von ihrem Zauber mitreißen lassen. Ghea hat diesen Zauber gekauft. Vielleicht haben sie gedacht, sie kaufen mehr, aber das war’s.« Er zuckte die Achseln, stellte die leere Weinflasche auf den Kopf und redete weiter, während er sich nach der Kellnerin umsah. »Wohlgemerkt, das muß man ihr lassen: Sie hat dran gearbeitet, und sie hat wirklich was draus gemacht, etwas anderes. Erinnerst du dich an James Dean? Wer hat das noch gesagt...«
    »Ich weiß es nicht, und — «
    »Dennis Hopper. Wie Dennis Hopper über James Dean gesagt hat: Mit der einen Hand sagte er >Leck mich am Arsch<, mit der anderen >Hilf mir<. Carla war auch ein bißchen so. Schwierig, verletzlich. Sind dir die Bilder aufgefallen, die sie dauernd benutzen? Mit dem Chiffon? Bald werden die Leute >Carla Blue< sagen, sobald sie Augen, Lippen, Chiffon und kleine Titten sehen — mehr ist sie dann nicht mehr: eine Ikone, die sagt, starkes Weib, schwaches Mädchen, die sagt, laß mich in Ruhe, hilf mir, die sagt Jugend, die sagt Energie, und die schließlich sagt: Hier ist dieses gewisse unfaßliche sexuelle Feeling. Ihr Tod und der ganze tragische Kontext stimuliert bloß die Sehnsucht nach diesen Dingen, nach all den Dingen, die da fortgenommen wurden. Geben wir’s doch zu. Sie ist nicht mehr unsere Carla, sondern ein Warenimage, das man auf dem freien Markt kaufen und verkaufen kann. Diese cleveren Schweine wissen das, und sie werden abräumen.«
    Mit einem Stück Brot wischte er die letzten Saucenreste von seinem Teller. Ich genoß weder diese Mittagspause noch die Unterhaltung, weder das Essen noch den Wein. Ich war aufgeregt. Es war, als knabberten eine Million kleine Insekten an meiner Haut. Ich ließ die Gabel klappernd auf den Teller fallen, zerknüllte meine Serviette und warf sie auf den Beilagenteller.
    »Hab’ ich dich aufgeregt?« fragte Keith leicht verdattert.
    Ich stützte den Ellbogen auf den Tisch und rieb mir die Stirn. »Nein. Nicht du. Du hast ja recht. Ich bin nur ein bißchen... durcheinander von der einen oder anderen Geschichte.«
    »Du meinst Carla.«
    Ich biß die Zähne aufeinander und zischte grob: »Hör auf, so verdammt verständnisvoll zu tun! Was willst du von mir? Ich hatte nichts mit ihr. Sie war nicht meine Geliebte. Sie war meine Freundin. Reicht das nicht? Ich habe sie als Freundin geliebt, und ich möchte, daß die Leute um sie als Person trauern. Ich möchte um sie als Mensch trauern, nicht so, als hätte ich gerade meine liebste Designerjeans verloren!«
    Keith wahrte eine Zeitlang demütiges Schweigen, bis die Kellnerin kam. Ich wollte keinen Wein mehr und bestellte uns zwei Espresso. Schweigend saßen wir da, bis sie zurückkam.
    »Es tut mir leid«, sagte er, und seine blauen Augen musterten mein Gesicht. Ich schaute weg, und heiße Tränen stiegen mir in die Augen. Keith fing an, verzweifelt seine Taschen nach einem Taschentuch abzuklopfen und durchzuwühlen. Ich holte mein eigenes heraus und mußte lachen. Erleichtert lachte er ebenfalls und hielt statt eines Taschentuchs eine Schachtel Zigaretten hoch.

Weitere Kostenlose Bücher