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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denise Danks
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Es ist so schlimm geworden, daß die Leute inzwischen in die Vororte gehen. Wo gehst du heutzutage hin?«
    »Nirgends. Keinen Mumm mehr. Ich werde langsamer, je näher die große Null rückt.«
    »Bist du neunundzwanzig?«
    »Sehr galant, Keith. Tatsächlich sind’s noch drei Jahre.«
    »Schon okay. Ich mag ältere Frauen.«
    »Wie alt bist du denn?«
    »Vierundzwanzig.«
    »Da wirst du als Spielkind kaum durchgehen, Schätzchen.«
    Keith grunzte nur und machte sich an seine gegrillte Kalbsleber. Auf halber Strecke kam das Gespräch auf Rock-Heroen. Auf die Toten.
    »Es ist ein typischer Zyklus; so werden diese Kult-Heroen kreiert. Guck sie dir doch alle an. Buddy Holly, Otis Redding... äh... wer noch?«
    »Jim Morrison.«
    »Yeah, der auch... Hendrix, Janis Joplin, Waits...«
    »Sid Vicious.«
    »Nein... nein, im Ernst. Aber Moment mal... Ja! Auch dieser Halbidiot.«
    »Vielleicht, aber sei nicht zu hart mit ihm. Ich fand seine Version von >My Way< ganz gut — richtig laut gespielt, eine ganz bezaubernde Interpretation des Textes, beinahe satirisch.«
    »Yeah, aber ich wette, das wußte er nicht. Es machte ihm einfach Spaß, dreckig daherzureden. Aber lassen wir ihn beiseite — was hatte ich gerade gesagt?«
    »Daß es ein Zyklus ist«, sagte ich.
    »Ach ja. Es ist ein Zyklus. Die ersten Platten sind untypisch — nicht Mainstream, aber gut, nicht so sehr anders, nur ein bißchen anders. Dann machen sie ein paar Jahre großartige Platten, die nicht allzugut gehen, und dann machen sie noch ein paar Jahre weiter, was sie schon die ganze Zeit gemacht haben, aber allmählich macht es sich bezahlt. Dann: Erfolg, Anerkennung, Ruhm — und dann der Flugzeugabsturz oder die Überdosis. Meistens das eine oder das andere.«
    »Und Carla?«
    »Genau das gleiche. Nein, wirklich, genau das gleiche...«
    Keith wedelte mit seiner Gabel, um zu unterstreichen, was er sagte. »Bloß auf zwei Jahre komprimiert. Man kann Monate statt Jahre ansetzen.«
    Meine Gedanken wanderten ab. Wenn ich einen Job hätte, was täte ich dann jetzt? Säße wahrscheinlich hier im Restaurant, und jemand wie Keith würde pausenlos auf mich einreden. Draußen hatte es zu regnen angefangen, und der Glanz der hellen, betriebsamen, seegrünen Brasserie wurde stumpfer. Ich dachte an Carlas unbefriedigendes neues Album, das hoch in den Charts plaziert war.
    »Was hältst du von Seethru ?«
    Keith kaute auf den cremigen Innereien, schluckte und zuckte die Achseln. Dann nahm er einen Schluck Wein und antwortete immer noch nicht.
    »Wo hapert es dabei?« fragte ich.
    »Überproduziert. Middle of the Road. Durchschnitt.«
    »So schlecht ist es nun auch wieder nicht.«
    Keith schaute zu mir herüber, ein kleines, herablassendes Lächeln auf den Lippen, aber seine blauen Augen sahen mich wissend an — als wüßten wir beide etwas, als wüßten wir, weshalb ich sie verteidigen wollte. Ich wurde rot, und das machte mich wütend. Ich ärgerte mich, aber er würde die heiße Glut meiner Wangen als Verlegenheit deuten, denn das paßte zu seinem kleinen Geheimnis.
    Er sprach, bevor ich den Mund aufkriegte. »Aber so gut auch nicht. Hör doch auf. Es ist genau nach Rezept zusammengekocht. Sie haben hergestellt, was wir früher gemacht haben — für die Masse. Unsere Sachen waren nie für die Masse, sie waren für verrückte Kids in den Clubs, denen die Charts nun wirklich schnuppe waren. Ein Chart-Hit ist tödlich — die Exklusivität ist futsch, verstehst du? Und wir waren auch noch verflucht gut. Originell. Seethru ist kein bißchen originell.«
    Ich legte meine Gabel hin und hörte auf zu essen. »In der Sweat Box warst du nicht so hip — als Dexter den Vertrag mit Carla machte und euch ausmusterte. Ihr habt beide ausgesehen, als ob ihr im Lotto gewonnen und den Schein nicht abgegeben hättet. Hör’ doch auf! Kommerzieller Erfolg bedeutet, daß man die Masse anspricht. Und für einen Vertrag mit Ghea hättest du damals einen Mord begangen.«
    Keith hob kapitulierend die Hände; dann ließ er die Rechte sinken und klopfte heftig und mit Nachdruck mit dem Zeigefinger den Takt auf den Tisch. »Okay, hast recht, aber man kann immer noch für seine Ideen kämpfen. Schließlich kaufen sie dich ja, weil ihnen deine Ideen gefallen. Du mußt bei dem bleiben, woran du glaubst. Du läßt dich nicht völlig von ihnen zur Sau machen. Seien wir ehrlich: Carla hat nicht sonderlich gekämpft, oder? So, wie sie auch um uns nicht sonderlich gekämpft hat. Sie wollte ihr Foto auf

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