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Lieber tot als vergessen

Lieber tot als vergessen

Titel: Lieber tot als vergessen
Autoren: Denise Danks
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Büro wurde nur durch fernes Telefonklingeln irgendwo im Gebäude unterbrochen. Dann ging in einem anderen Zimmer laute elektronische Tanzmusik los, aber hier blieb es sehr still. Draußen vor den getönten Scheiben zogen sich Wolken zusammen. Es sah nach weißen Weihnachten aus. Dexter rieb sich mit langen Fingern die Schläfen und strich dann mit der flachen Hand über sein zurückgekämmtes Haar bis zu seinem Pferdeschwanz. »Hören Sie, die spanische Polizei macht mir genug Schwierigkeiten wegen der Drogen auf der Party. Ich kann das nicht gebrauchen.«
    »Erzählen Sie mir, wie Carla starb.«
    »Sie kam herunter zu mir. Ich saß am Pool. Ich sagte ihr, sie sollte nicht reingehen, denn sie sah mir ziemlich abgefüllt aus, aber sie zog sich trotzdem aus, spielte ein bißchen mit mir rum und ließ sich dann einfach rückwärts fallen. Sie schwamm sogar ’ne Weile rum. Sie war bei Bewußtsein, als sie ins Wasser ging. Das hat der Ermittlungsbericht bestätigt. Können Sie nachprüfen, wenn Sie wollen. Dann ging sie unter: ich sprang ihr nach, aber ich hatte auch meinen Teil getrunken. Sie ging immer wieder unter, und dann kam die Welle. Sie rollte einfach über die Beckenkante herein und zog sie dann mit raus. Eine große, fließende Bewegung, nichts Spektakuläres, einfach so... und dann war sie weg. Ich konnte sie nicht retten.« Er sah mich mitleidsuchend an, aber ich hatte keins übrig für ihn. Ich hatte Mitleid mit Carla.
    »Wieso hat die Welle Sie nicht auch mit hinausgerissen?«
    »Hat sie fast. Ich hing noch so an der Poolkante.«
    Ich lächelte. »Sie sind ein Glückspilz, ein richtiger Überlebenskünstler, Dexter. Wußten Sie, daß sie Heroin genommen hatte?«
    »Da noch nicht, nein.«
    »Wissen Sie, warum sie es genommen haben könnte?«
    »Das weiß ich nicht. Wir haben von Zeit zu Zeit gekokst, aber soweit ich weiß, war sie nie auf Heroin.«
    »Aber Ihre Frau, nicht wahr, Dexter? Sie muß welches bei sich gehabt haben. Wer hat es Carla gegeben? War sie es?«
    »Ich weiß es nicht, wovon Sie reden! Kann sein, daß sie ihr was gegeben hat — wer weiß, was die alles gemacht haben — ich weiß, daß Carlas Tod ein Unfall war. Ich habe sie nicht umgebracht. Und wenn jemand ein Interesse daran hatte, daß sie starb, so weiß ich nichts davon.«
    Dexters tiefe Stimme war ein bißchen höher geworden. Die Nasenflügel an seiner geraden, glatten, makellosen Nase zitterten ein bißchen.
    Ich nahm meine Zigaretten aus der Tasche und zündete mir eine an; ich blies ein bißchen Rauch über die weite Fläche seines Schreibtisches zu ihm herüber. Dann warf ich einen Blick auf seinen Computer. »Meinen Sie nicht, Sie sollten mal Ihre Post durchsehen?«
    Dexter warf einen raschen Blick auf den Monitor und dann auf mich. Ich lächelte ihn ermutigend an und steckte die Zigarette zwischen die Lippen. Er streckte die Hand aus und schlug ein paar Tastenkombinationen an. Der Bildschirm füllte sich mit Text, und er machte ein erleichtertes Gesicht. »Da ist nichts Ungewöhnliches. Was sollte ich denn finden?«
    »Gar nichts. Sagen Sie, was haben Sie auf Ihrer Festplatte?«
    Dexter drehte sich um. Seine Augen waren feucht und glänzten ein bißchen mehr. Er schaltete den Computer ab, stand auf und ging an einen gläsernen Barschrank, der in eines der schwarzen, modernen Regale längs der Wand eingebaut war. Er schenkte sich ein großes Glas Scotch ein. Scotch für Schocks. Ich lehnte sein Angebot ab. »Das Statistikprogramm, das Finanzmodell, das Zeug über Johnny. Aber das ist es nicht, was Sie denken.«
    »Was ist es denn?«
    »Hören Sie, was wollen Sie? Ich habe Carla nicht umgebracht. Ich habe auch nicht geplant, Carla umzubringen. Wir waren Freunde, um Gottes willen.« Seine Hand umklammerte das Glas.
    »Das waren Sie und Johnny Waits auch.«
    »Ich habe sie nicht umgebracht.«
    »Haben Sie ihn umgebracht?«
    Er antwortete nicht. Bei solchen Gelegenheiten merkt man, wie die Erde sich langsam um ihre Achse dreht. An diesem Nachmittag fühlte ich mich wie ein winziges Stäubchen, das im großen Tanz der Planeten an seinem elefantenhaften Partner klebte. Ich hatte ihn — oder, besser gesagt, Tony und ich hatten ihn. Was Waits anging, war ich sicher, in Carlas Fall nicht. St. John konnte auf eigene Faust gearbeitet haben. Cheryl hatte von dem Programm erfahren, ihm den Ausdruck gezeigt. Er hatte darüber nachgedacht und war zu dem Schluß gekommen, daß Carla die nächste sein müsse. Er war auf Dexters Party
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