Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)
ich mich zu der Zeit beschäftigte. Martha Ostenso, die einen Roman mit dem Titel
Wildgänse
geschrieben hatte und dann noch einen Haufen anderer, die niemand mehr kannte.
»Sie meinen, das wird alles gedruckt? Wie in der Zeitung?«
In einem Buch, sagte ich. Sie stieß etwas unschlüssig Rauch aus, und ich suchte nach etwas, das für sie interessanter war.
»Ihr Ehemann soll einen Teil des Romans geschrieben haben, aber seltsamerweise taucht sein Name nirgendwo auf.«
»Vielleicht wollte er nicht, dass seine Kumpel ihn hochnehmen«, sagte sie. »Wissen Sie, so in der Art, was werden die über einen Typen denken, der Romane schreibt.«
»Daran habe ich noch gar nicht gedacht.«
»Aber er hatte sicher nichts dagegen, das Geld einzustecken«, sagte sie. »Sie kennen ja die Männer.«
Dann schüttelte sie lächelnd den Kopf und sagte: »Sie müssen mächtig klug sein. Wenn ich denen zu Hause erzähle, dass ich gesehen habe, wie gerade ein Buch geschrieben wird.«
Um sie von dem Thema abzubringen, das mir peinlich zu werden begann, fragte ich, wer denn die zu Hause waren.
Etliche Leute, die ich nicht auseinanderhalten konnte, oder vielleicht war es mir auch zu mühsam. Ich bin mir nicht sicher, in welcher Reihenfolge sie erwähnt wurden, nur, dass der Ehemann am Schluss kam, und der war tot.
»Letztes Jahr. Allerdings war er nicht offiziell mein Mann. Sie wissen schon.«
»Meiner war’s auch nicht«, sagte ich. »Ist es nicht, meine ich.«
»Wirklich? So machen’s jetzt ja viele. Früher hieß es, oh je, wie schrecklich, und jetzt heißt es bloß, na und? Und dann gibt es welche, die leben Jahr um Jahr zusammen, und schließlich heißt es, ach, wir heiraten. Da denkt man doch, wozu denn? Wegen der Geschenke etwa, oder ist es einfach der Gedanke, sich mit dem weißen Kleid aufzutakeln. Da könnte ich mich totlachen.«
Sie erzählte, dass sie eine Tochter hatte, die den ganzen Kokolores über sich ergehen ließ, und das Einzige, was sie davon hatte, war, dass sie jetzt wegen Drogenhandels im Knast saß. Dämlich. Der Mann, den sie unbedingt heiraten musste, der hatte ihr das eingebrockt. Und so war es jetzt notwendig, Kosmetika zu verkaufen und außerdem die beiden kleinen Kinder der Tochter zu versorgen, die niemanden anders hatten.
Während sie mir das erzählte, schien sie die ganze Zeit über bester Laune zu sein. Erst als sie auf das Thema einer anderen, recht erfolgreichen Tochter zu sprechen kam, einer früheren Krankenschwester, die in Vancouver lebte, wurde sie unsicher und ein bisschen gereizt.
Diese Tochter wollte, dass ihre Mutter die ganze Bande im Stich ließ und zu ihr zog.
»Aber Vancouver gefällt mir nicht. Allen anderen schon, ich weiß. Aber mir nicht.«
Nein. Das eigentliche Problem war, wenn sie zu ihrer Tochter zog, musste sie das Rauchen aufgeben. Es war nicht Vancouver, es war das Rauchen.
Ich bezahlte irgendeine Lotion, die mir meine Jugend zurückgeben würde, und sie versprach, mir das Zeug auf ihrer nächsten Runde vorbeizubringen.
Ich erzählte Franklin alles über sie. Gwen, so hieß sie.
»Eine andere Welt. Hat mir ganz gut gefallen«, sagte ich. Dann mochte ich mich nicht besonders für das, was ich gesagt hatte.
Er sagte, vielleicht müsste ich öfter aus dem Haus und mich für Unterrichtsvertretungen eintragen.
Als sie bald danach mit der Lotion vorbeikam, war ich überrascht. Obwohl ich schon dafür bezahlt hatte. Sie versuchte gar nicht, mir noch irgendetwas anderes zu verkaufen, was für sie fast eine Erleichterung zu sein schien, keine Taktik. Ich kochte wieder Kaffee, und wir unterhielten uns ungezwungen, sogar lebhaft, wie zuvor. Ich gab ihr das Exemplar von
Wildgänse
, das ich benutzt hatte, um über Martha Ostenso zu schreiben. Ich sagte, dass sie es behalten konnte, denn ich würde beim Erscheinen ein weiteres bekommen.
Sie sagte, sie werde es lesen. Ganz bestimmt. Sie konnte sich nicht erinnern, wann sie je ein Buch von vorn bis hinten gelesen hatte, weil sie immer so viel um die Ohren hatte, aber diesmal versprach sie es.
Sie sagte, sie sei noch nie jemandem wie mir begegnet, der so gebildet sei und so umgänglich. Ich fühlte mich ein wenig geschmeichelt, doch gleichzeitig alarmiert, wie man sich fühlt, wenn man merkt, dass eine Schülerin sich in einen verliebt hat. Ich schämte mich ein wenig, als hätte ich kein Recht, mir so überlegen vorzukommen.
Es war schon dunkel, als sie hinausging, in ihr Auto stieg, den Motor anlassen
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