Liebes Leben: 14 Erzählungen (German Edition)
der Zeit, als sie Franklin kannte, Kindermädchen war. Sie arbeitete in Toronto und kümmerte sich um zwei kleine englische Kinder, deren Eltern sie nach Kanada geschickt hatten, damit sie vom Krieg verschont blieben. Es war noch anderes Personal im Haus, also hatte sie an den meisten Abenden frei und konnte ausgehen, um sich zu amüsieren, und welches junge Mädchen hätte das nicht getan? Sie lernte Franklin während seines letzten Urlaubs kennen, bevor er nach Übersee ging, und sie hatten miteinander eine so verrückte Zeit, wie man sie sich nur vorstellen kann. Möglich, dass er ihr ein oder zwei Briefe schrieb, aber sie hatte damals einfach keine Zeit für Briefe. Dann, als der Krieg aus war, begab sie sich so bald wie möglich auf ein Schiff, um die englischen Kinder nach Hause zu bringen, und auf diesem Schiff lernte sie einen Mann kennen, den sie heiratete.
Aber das hielt nicht, England war nach dem Krieg so trostlos, dass sie meinte, sterben zu müssen, also kam sie wieder nach Hause.
Das war ein Teil ihres Lebens, den ich noch nicht kannte. Aber über ihre zwei Wochen mit Franklin wusste ich Bescheid, und das, wie schon gesagt, taten auch viele andere. Zumindest, falls sie Gedichte lasen. Sie wussten, wie verschwenderisch sie mit ihrer Liebe umging, aber im Gegensatz zu mir wussten sie nicht, dass sie glaubte, sie könne nicht schwanger werden, weil sie ein Zwilling war und eine Haarlocke ihrer toten Schwester in einem Medaillon um den Hals trug. Sie hatte alle möglichen solcher fixen Ideen und gab Franklin einen magischen Zahn – er wusste nicht, von wem –, der ihn drüben vor Schlimmem bewahren sollte. Er schaffte es, ihn sofort zu verlieren, aber er blieb am Leben.
Sie hatte auch eine Regel, die besagte, wenn man vom Bürgersteig mit dem falschen Fuß auf die Straße ging, dann lief an dem Tag alles schief, also musste man zurück und es noch mal versuchen. Ihre Regeln faszinierten ihn.
Um die Wahrheit zu sagen, ich war völlig unfasziniert, als ich davon hörte. Ich hatte gedacht, wie doch Männer eigensinnige Marotten bezaubernd finden, wenn das Mädchen nur hübsch genug ist. Natürlich ist das aus der Mode gekommen. Wenigstens hoffe ich das. All dieses Entzücken über das kindliche weibliche Gehirn. (Als ich anfing zu unterrichten, erzählten mir die Kollegen, dass vor noch nicht allzu langer Zeit Frauen nie Mathematik unterrichtet hatten. Ihr schwacher Verstand verhinderte das.)
Natürlich konnte dieses Mädchen, diese Sexbombe, deretwegen ich ihm so lange in den Ohren gelegen hatte, bis er mir von ihr erzählte, im Großen und Ganzen erfunden sein. Sie konnte jedermanns Erfindung sein. Aber das glaubte ich nicht. Sie war ihr eigenes freches Geschöpf. Zu selbstverliebt.
Natürlich hielt ich den Mund über das, was er mir erzählt hatte, und das, was in das Gedicht geflossen war. Und Franklin schwieg sich meistens auch darüber aus, bis auf ein paar Worte über Toronto, wie es in jenen unruhigen Kriegstagen war, über die blöden Alkoholgesetze oder den Quatsch des gemeinsamen Kirchgangs. Falls ich zu jenem Zeitpunkt dachte, er könnte ihr irgendeinen seiner Gedichtbände schenken, so irrte ich mich.
Er wurde müde und ging zu Bett. Gwen oder Dolly und ich machten ihr das Bett auf dem Sofa. Sie setzte sich mit ihrer letzten Zigarette darauf mit den Worten, keine Sorge, sie werde das Haus nicht in Brand setzen, sie lege sich nie hin, bevor die Zigarette zu Ende sei.
Unser Schlafzimmer war kalt, die Fenster standen viel weiter offen als sonst. Franklin schlief. Er schlief wirklich, ich merke immer, wenn er nur so tut.
Ich hasse es, schlafen zu gehen, wenn ich weiß, dass noch schmutziges Geschirr auf dem Tisch steht, aber ich hatte mich plötzlich zu müde gefühlt, um es abzuwaschen, zumal mit Gwens Hilfe, die sie unweigerlich angeboten hätte. Ich hatte vor, am nächsten Morgen früh aufzustehen und aufzuräumen.
Aber ich erwachte bei hellem Tageslicht, Geklapper in der Küche, dem Geruch nach Frühstück und auch Zigaretten. Dazu Stimmen, und es war Franklin, der redete, obwohl ich das eher von Gwen erwartet hätte. Ich hörte sie über alles, was er sagte, lachen. Ich stand sofort auf, zog mich rasch an und frisierte mir die Haare, etwas, womit ich mich sonst so früh nicht abgebe.
Alle Sicherheit und Heiterkeit des Abends hatten mich verlassen. Ich machte beim Hinuntergehen viel Lärm.
Gwen stand am Spülbecken mit einer Reihe blitzblanker Gläser auf dem Abtropfbrett.
»Hab
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