LIEBES LEBEN
wild. Ich kann es nicht fassen, dass er überhaupt denkt, ich sei irgendetwas wert. Welcher andere Mann würde an ein und demselben Tag eine Kaution für mich hinterlegen und mich zu einem guten Mittagessen einladen? Ich glaube, das könnte echte Liebe sein. Seth, wer jetzt?
»Was würden deine Eltern davon halten, dass du mich aus dem Gefängnis geholt hast?«
»Sagen wir einfach, dass wir über so etwas nicht sprechen würden.« Er greift nach meiner Hand und drückt sie. Ich liebe seine Hände. Sie sind gleichzeitig männlich und zart, und wenn er mich mit seinen tiefgrünen Augen ansieht, geht es mir bis in meine Jimmy Choos Schuhe. Diese Art von Anziehung kann eine Frau in ernste Schwierigkeiten bringen.
»Bitte lass mich für das Mittagessen bezahlen«, biete ich ihm an. »Das ist das Wenigste, was ich für dich tun kann.«
Er dreht sich zu mir und sieht mich mit hängendem Kinn an, den Arm über das Lenkrad seines Porsches gelegt. Er sieht aus wie aus einer Porsche-Werbung, nur noch besser.
»Vielleicht bin ich altmodisch, aber ich lasse mich nicht von Frauen einladen.«
»Auch nicht mit einer Rabattmarke?«, frage ich.
»Ganz besonders nicht mit einer Rabattmarke.« Seine Stimme klingt sexy. Ich fächle mir Luft zu. Ist es hier drin so heiß?
Er findet gleich einen Parkplatz. Er ist ein Glückskind. Kevin kommt um den Wagen herum, öffnet die Tür und hilft mir aus dem Porsche. Natürlich ist mein ganzes Gewicht in Wirklichkeit auf dem rechten Bein. So naiv bin ich schließlich nicht. Soll er doch denken, ich wiege so viel wie Arin.
»Hast du denn im Kittchen genug geschlafen?«, meint er scherzhaft.
»Ja, habe ich. Bis morgen früh bin ich wieder ausgeschlafen. Dann gehe ich einfach ins Büro und erkläre meiner Chefin, dass ich einen Tag für mich gebraucht habe.«
»Ist es nicht unglaublich, dass sie einen ans andere Ende der Welt schicken, in eine ganz andere Zeitzone und wenn man zurück ist, erwarten sie, dass man ganz normal weiterarbeitet, als hätte man acht Stunden geschlafen?«
»Sie erwarten, dass man funktioniert wie ein Roboter.«
»Tust du das nicht?« Kevin schüttelt den Kopf, greift nach meiner Hand, und wir rennen über die Straße. In Kalifornien haben Fußgänger Vorrang, aber Vorrang haben und tot sein ist oft das Gleiche. Alle denken, wir leben hier so gesund. Wir leben gar nicht gesund; wir joggen nur, um uns vor rasenden BMWs in Sicherheit zu bringen.
»Ich werde schnell zu einem Roboter«, seufze ich.
Kevin lässt seinen Blick wieder über meine Figur gleiten und schaut dann schnell weg. »Ich muss zustimmen, dass du eine sehr gut gebaute Maschine hast, aber du bist kein Roboter.« Er zwinkert mir zu.
Ich haue ihn auf den Arm. »Diese Bemerkung ist gestrichen.« Er fängt an zu lachen, und sein Lachen ist ansteckend. Habe ich schon erwähnt, dass er einfach Sinnlichkeit ausstrahlt? Komm wieder runter, Mädchen. Ich rede schon wie Dianna, die kriegerische Assistenten-Prinzessin.
»Das ist kein anständiges Benehmen für einen Christen.« Er lacht immer noch. »I-ich bin kein Christ.«
Mein Lächeln verschwindet. »Wie meinst du das, du bist kein Christ. Ich habe dich doch im Gottesdienst gesehen. Arin hat gesagt ...«
»Ich bin ein paar Mal hingegangen, um Arin zum Brunch abzuholen. Ich fürchte, meine Überzeugung ist eher agnostischer Natur. Ich weiß es einfach nicht.« Er zuckt mit den Schultern.
»Aber ich toleriere euren Glauben. Ist das ein Problem für dich?
Ich meine, wenn ich deinen Glauben stehen lasse, kannst du dann nicht auch mich so stehen lassen?«
29
Der Fußmarsch nach dem Mittagessen zurück zu meinem Auto ist qualvoll. Diese Schuhe mögen großartig aussehen, aber Schuhe mit Pfennigabsätzen sind einfach nicht zum Laufen gemacht - außer für das kurze Stück auf dem Laufsteg hin und her. Es ist nur zwei Häuserblocks weit, und ich habe Blasen so groß wie Walt Disneys Epcot Miniaturwelt. Aber ich wollte nicht noch einmal in Kevins Porsche mitfahren und habe ihm erzählt, ich müsste noch einkaufen gehen - was nicht ganz gelogen war. Ich habe in einem Reisebüro Kataloge von Hawaii mitgenommen und träume jetzt davon, dass in der Firma mal weniger los ist und ich Urlaub machen kann. Dann kann ich in Flip-Flops und Urlaubsmode von Lilly herumlaufen.
Zurück zu Kevin. Wissen Sie noch, dass ich mir immer Gedanken gemacht habe, dass alles zu schön war, um wahr zu sein? Nun, das war es auch. Er ist nicht schwul, wie ich gedacht habe, aber er ist
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