LIEBES LEBEN
jemand, den ich gerne kennen lernen wollte. Ich finde, die kurzen Haare stehen dir viel besser. Man sieht dein hübsches Gesicht besser.«
Diese Verabredung ist eine überflüssige Formalität. Lass uns einfach direkt nach Las Vegas gehen.
»Danke. Am Anfang war ich mir mit der Frisur nicht so sicher.« Ich fahre mir mit der Hand durch die Haare.
Wir sind jetzt in der Stadt, und der Verkehr ist grauenvoll, aber alle gehen uns aus dem Weg, denn Kevin hat bei der Versicherungslotterie ganz offensichtlich nichts zu verlieren.
So sehr es mir auch egal ist, was Kevin für ein Auto fährt - solange er so gut aussieht und charmant ist, bin ich auf der Stelle bereit, die Mutter seiner Kinder zu werden –, so muss ich doch zugeben, dass es mir peinlich ist, in diesem Auto vor dem Mark Hopkins Hotel vorzufahren und den Parkservice zu bemühen. Ich bete sogar deswegen, aber Kevin ist auf alles vorbereitet.
»Ich werde auf dem Parkplatz gegenüber vom Union Square parken. Wir können mit dem Cable Car zum Hotel hochfahren und auf dem Rückweg vielleicht einen kleinen Einkaufsbummel machen.«
»Das klingt wunderbar. Ich bin das letzte Mal mit zehn mit einem Cable Car gefahren.«
»Ich noch gar nie«, gesteht er.
»Wo bist du aufgewachsen?«
»In Atlanta.«
»Georgia?« Aha, Südstaatler, daher das galante Benehmen. Kein Wunder.
Er nickt, und ich bin absolut sprachlos ob dieses rätselhaften Mannes neben mir in diesem zerbeulten Auto. Er ist angezogen wie ein Armani-Model, riecht nach einem maskulinen, waldigen Duft, der eindeutig nicht aus dem Supermarkt ist, und fährt gleichzeitig mit einem absoluten Schrotthaufen durch die Stadt.
»Meine Eltern sind übrigens gerade in der Stadt zu einer Chirurgenfortbildung. Sie sind im Fairmont.«
»Wollen sie uns treffen?« Ich bin absolut noch nicht so weit, seine Eltern kennen zu lernen.
»Wenn es dir nichts ausmacht. Ich weiß, dass das schlechter Stil ist, aber sie haben auf dem Kongress zu viel zu tun, um bis nach Stanford zu kommen.«
»Nein, natürlich nicht. Ich freue mich, deine Eltern kennen zu lernen.«
»Sie brennen schon darauf, dich kennen zu lernen.«
Bei seiner Berührung flattert es in meinem Magen. Ich gebe zu, dass ich misstrauisch bin. Trotz der Schrottkarre ist dieser Mann einfach zu gut, zu erfolgreich, zu alles, um wahr zu sein. Aber er hält mir die Hand hin, um mir aus dem Auto zu helfen, und in meinem Magen flattert schon wieder alles. Ich kann die Elektrizität zwischen uns knistern hören. Wie Speck, der in der Pfanne brutzelt. Ich muss kräftig schlucken. Wir stehen da und schauen uns gegenseitig sehnsüchtig an, und ich weiß, dass ich mich auf gefährlichem Terrain bewege.
»Wir sollten zum Restaurant gehen«, sage ich, um aus diesem leidenschaftlichen Strom zu entkommen, dem ich mich nicht hingeben will, es aber doch muss.
Er räuspert sich. »Du hast recht.« Als ich mich umdrehe, zieht er mich sanft in seine Arme. Und er küsst mich zuerst auf die Wange und dann auf den Mund. Ich spüre, wie mein Puls rast, und bin froh, dass kein Monitor angeschlossen ist, auf dem Doktor Kevin es sehen kann. Das sieht mir gar nicht ähnlich, sich bei der ersten Verabredung gleich zu küssen, aber in seinen Armen fühle ich mich absolut sicher und gleichzeitig auch wieder in größten Schwierigkeiten. Ich bin hilflos, atemlos und kann mich kaum von ihm lösen ... Er hört schließlich auf zu küssen und weicht zurück, um mir in die Augen zu schauen und meine Wange zu streicheln. Er schaut schließlich weg und lässt seine Arme von meinen Hüften sinken. »Entschuldige«, sagt er. »Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist.«
Oh Herr, ich befinde mich hier in einer gefährlichen Strömung. Rette mich. Unsere Verabredung hat kaum angefangen, und schon bin ich total verliebt. Habe ich solche Sehnsucht? Oder er?
15
Ich stehe im Aufzug des weltbekannten Mark Hopkins Hotels und streiche beiläufig über meinen Rock, so als sei ich noch völlig normal im Kopf. Ich werfe meine Haare mit einer Kopfbewegung nach hinten und erinnere mich dann daran, dass sie nur noch etwa zehn Zentimeter lang sind - was der Sache irgendwie den Effekt nimmt. Als sich die Aufzugtüren schließen, bin ich augenblicklich zutiefst beschämt. Mich überkommt der ekelhaft süßliche Geruch der billigen Seife aus der Flughafentoilette. Mein teures Parfüm verliert jämmerlich im Wettstreit mit diesem entfernt vertrauten Geruch. Ich stehe Höllenqualen aus. Soll ich etwas sagen?
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