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LIEBES LEBEN

LIEBES LEBEN

Titel: LIEBES LEBEN Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kristin Billerbeck
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Golden Gate Bridge meilenweit aufs Meer schauen kann. Diesen Ausblick vom obersten Stockwerk des Mark Hopkins Hotels zu genießen wird atemberaubend sein, und dazu noch Kevin vor meinen Augen. Meine Zeit ist gekommen! Es ist wie Frühling und Sommer auf einmal. Herbst und Winter sind endgültig vorbei!
    Kevin lächelt mich an wie ein echter Sunnyboy. Muss ich ein schlechtes Gewissen haben, weil er bis vor einer Woche noch mit meiner Freundin befreundet war? Das ist so teeniemäßig, sich den Exfreund einer anderen zu angeln. Wegen dieses nagenden Schamgefühls frage ich mich, ob ich in Zukunft im Fernsehen als gehässige Bachelorette auftreten werde. So eine, die versucht mit einem Mann ins Bett zu gehen, damit ihr Ansehen steigt. Als ob das helfen würde. Mal ehrlich, ist es das Wert, wenn nachher die ganze Welt weiß, dass man ein billiges Flittchen ist?
    Nach einem schrecklichen Gang und dem Aufzug stehen wir schließlich im Parkhaus des Flughafens. Ich weiß, dass das oberflächlich ist, aber ich bin ganz atemlos vor gespannter Erwartung. Ob er wohl ein cooles Auto hat, wie meinen TT? Oder ist er ein eher traditioneller Typ und fährt einen Toyota Camry oder so? Ich würde auf traditionellen Amerikaner tippen. Ich glaube, es ist ein Buick.
    Aber als wir zu seinem Auto kommen und er sagt: »So, da wären wir«, muss ich lachen.
    Großer Fehler. Es ist kein Witz. Er schließt den Kofferraum auf – oder sollte ich sagen, er schnürt den Kofferraum auf, denn der Deckel ist mit einem Strick festgebunden. Vollkommen daneben getippt. »Das ist dein Auto?« Ich versuche keine Regung zu zeigen.
    Aber mein Stanford-Arzt fährt einen Datsun B210, keine Ahnung, welches Baujahr. Ich bin in solchen Sachen nicht oberflächlich, nur neugierig. Was für einen Grund hat er dafür? Ist er ein bettelarmer Student? Oder sind Autos ihm total egal?
    »Entschuldige bitte das Auto.« Er lächelt, hat aber keine weitere Erklärung. Es tut ihm nur leid. Wie einem das Auto leidtun kann.
    »Nicht doch, du brauchst dich nicht entschuldigen. Ich bin froh, dass du mich abholst und mir Gesellschaft leistest.« Und das bin ich wirklich, aber ich gebe zu, dass in mir irgendwo die verwöhnte Prinzessin schlummert.
    »Arin hat mir erzählt, dass du ein schickes Cabrio fährst«, sagt er ruhig. Jetzt wird es peinlich. Er weiß, dass ich oberflächlich und unzufrieden bin. Tausend Dank, Arin . Das war wohl ihr Abschiedsgeschenk.
    »In der Not kann man nicht wählerisch sein.« Es sollte unbeschwert klingen, klingt aber verurteilend. Ich schlage mir auf die Stirn. Wie kann man nur so etwas Dummes sagen. Ich hatte eigentlich mich gemeint, weil ich ihn bitte, mich nach Hause zu bringen, aber es klingt, als sei er der Notleidende. Ist er das? Was ist mit seinen Studiengebühren? Muss ich mich dieser Belastung aussetzen? Ich habe die berechtigte Befürchtung, dass wir ohne zwei regelmäßige Gehälter eines Tages alle bei meinen Eltern wohnen werden, als eine große kaputte Familie.
    Kevin schließt, oder besser gesagt knotet meinen Koffer in den Kofferraum und öffnet mir die Beifahrertür. Nicht über Autos sprechen, nicht über Autos sprechen.
    »Na«, sage ich, »wie war deine Taiwan-Reise?«
    Er zuckt mit den Schultern und dreht den Zündschlüssel rum. Drei Mal bis das Auto tut, was er will. »Ereignislos. Ich glaube nicht, dass das die richtige Technologie für uns ist. Es steckt was drin, aber noch ist sie lange nicht so weit entwickelt, dass Stanford sie in Erwägung ziehen würde.«
    Kevin ist zwar sehr galant, aber mir fällt auf, dass er in seinem Verhalten beinahe schüchtern ist. Ich bin die Ingenieure gewöhnt mit ihrem ungerechtfertigt prahlerischen Verhalten. Kevin ist wie der Klassenkamerad, von dem man erst beim Ehemaligentreffen merkt, dass er in der gleichen Klasse war - und sich dann fragt, wer der heiße Typ ist und wieso er meinen ausgestreckten Fühlern in der Schulzeit entgangen war.
    »Hmmm. Gut, dass sie dich hingeschickt haben. Jetzt weißt du, wann es so weit ist.« Ich halte einen Moment inne, während er den Parkhauswächter bezahlt und mich dabei nicht einmal fragt, ob ich einen Dollar habe. Was für ein Held! »Was machst du eigentlich in deiner Freizeit?«, frage ich.
    »Davon gibt es bei mir nicht viel. Früher habe ich gern große Schiffe gebaut. Modellschiffe. Das ist eine gute Übung für die Fingerfertigkeit eines Chirurgen, aber bei meinem Gehalt kann ich sie in meiner kleinen Wohnung nicht mehr unterbringen.

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