LIEBES LEBEN
zu machen. Du solltest es mal versuchen.« Offensichtlich erkennt sie meinen zweifelnden Gesichtsausdruck. »Wirklich.«
»Oh, ich glaube dir, was das Kochen angeht. Ich bezweifle nur, dass ich mich plötzlich für die Küche interessieren werde, sobald ein Mann daherkommt.«
»Ich bin dreiundvierzig. Da kommt kein Mann mehr. Aber für mich ist das in Ordnung.«
»Wirklich?« Für sie ist das vielleicht in Ordnung, aber für mich ist das meine schlimmste Befürchtung. Was ist, wenn das alles ist? Was ist, wenn ich immer Single bleibe und mich daran ergötze, krümelige Hamburger mit Ketchup zusammenzudrücken? Erschießt mich doch gleich, dann hat das Elend ein Ende.
Aber Kay hat diesen Gandhi-artigen Frieden in sich. Ich schaue mich in ihrem Haus nach irgendwelchen Hinweisen um. Was um alles in der Welt treibt jemanden wie sie an? In einem offenen Schrank sind aufeinandergestapelte Plastikkörbe. Für jeden Monat einen. Die Sachen für Januar werden weggeräumt, die für Februar herausgeholt, und der Deckel liegt auf dem makellos sauberen Dielenboden.
»Entschuldige bitte die Unordnung. Ich war gerade dabei, im Haus neu zu dekorieren, als du angerufen hast.« Sie öffnet den Korb für Februar und holt winzige Amorfiguren und Herzen aus Ton und andere Valentinstag-Dekoration heraus.
»Hast du für jeden Feiertag eine andere Dekoration?«, frage ich ungläubig.
»Natürlich. Das sieht feierlich aus. Und jedes Jahr kommt zu jeder Sammlung etwas dazu.« Sie lächelt.
Meine schlimmste Befürchtung ist doch nicht, Single zu bleiben. Meine schlimmste Befürchtung ist, anzufangen, Flohmarktzeug zu sammeln. Oder absolut gar keine Verwendung mehr für Männer zu haben. Gleichzeitig bewundere ich Kay zutiefst. Sie ist vollkommen zufrieden mit sich selbst. Sie verbiegt sich nicht für Männer - das muss ich anerkennend zugeben, auch wenn ich es ihr nicht unbedingt nachmachen kann.
»Ich mag diesen kleinen Engel«, sage ich und halte ein Stück Trödelkram hoch. Kay greift schnell danach, als könnte ich es gleich fallen und in Millionen Stücke zerspringen lassen. Dem geringen Gewicht und den schlecht angemalten Lippen nach zu urteilen hat sie es wahrscheinlich im Supermarkt für 3,49 Dollar gekauft. Aber für sie ist es kostbar.
Ich habe mein Handy in Seths Auto aufgeladen, und es klingelt. Also hat das Laden wohl funktioniert. Allerdings kann ich wahrscheinlich nur kurz sprechen. Vorsichtig gebe ich Kay den Engel zurück, denn ich möchte auf meiner Reise nicht in ihrer Schuld stehen und unterwegs einen neuen Engel mit rotem Schnauzbart kaufen müssen.
»Entschuldige bitte. Das könnte meine Chefin sein.« Ich nehme ab, aber die Nummer auf dem Display kenne ich nicht.
»Hallo, Ashley Stockingdale.«
»Ashley, hier ist Kevin Novak.«
Der Onkel Doktor. Mmmh. Genau das, was ich brauche, nach einer Ladung Seth. Instinktiv fange ich an, meine kurzen Haare um den Finger zu wickeln, und mein Magen fängt an zu kribbeln. Vielleicht ist es auch der Hunger auf den Hackbraten, aber mein Mund ist trocken, und ich kann mein Herz klopfen hören. Aber es ist ein billiges Vergnügen, so als ob man bei Damenwahl einen Mann zum Tanz bittet und er dann Ja sagt, als hätte er gefragt.
»Tut mir leid, dass ich nicht früher angerufen habe. Ich hatte eine Vierundzwanzig-Stunden-Schicht.« Seine Stimme klingt müde. »Ich breche gleich zusammen, aber ich wollte dir noch sagen, wie schön es mit dir in San Francisco war, und dich fragen, wann wir das noch mal machen können.«
Ich starre mein Handy an als sei es der größte Kürbis, den ich je gesehen habe. Vor zwei Tagen bin ich mit diesem Mann ausgegangen. Es ist noch nicht Mittwoch, noch nicht einmal Jetztoder-nie-Donnerstag. Es ist erst Sonntagabend. Weiß er denn nicht, dass Männer nie so schnell anrufen, um uns verrückt zu machen? Ich hatte noch nicht einmal genug Zeit, nervös zu werden.
»Ich muss morgen wieder nach Taiwan.« Das ist der Test. Ist es ihm wirklich wichtig? Oder wird er die Gelegenheit nutzen, um sich aus seinem Angebot wieder herauszuwinden? Wird ihm jetzt plötzlich klar werden, dass seine Eltern recht haben und dass ich entsetzlich arbeitssüchtig bin und das falsche Genmaterial in mir habe?
»Schon wieder?«
»Ja«, stöhne ich. »Das ist eine große Sache, und sie ist noch nicht vorbei. Das ist sozusagen Chefsache, also ist es die Mühe wert.« Was für ein dummer Satz. Als ob man sich selbst ganz oben an den Tisch setzt und dann ans Ende gesetzt
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