Liebesdienste / Roman
zweitens, sie hatte ein großartiges Hinterteil, das durch den engen Rock der rosa Uniform noch großartiger wurde.
Zwei hart gekochte Eier in einem Handtuch,
hatte sein Bruder immer gesagt. Sein Bruder war ein Frauenkenner gewesen. Eines Tages, eines zu frühen Tages würden Männer auf diese Weise seine Tochter ansehen. Und sollte er sie dabei erwischen, würde er ihnen jeden Knochen im Leib einzeln brechen.
Jackson hatte sein halbes Leben in Uniform verbracht und nicht viel darüber nachgedacht, außer dass ihm morgens das Aufstehen leichter fiel, weil er sich nicht überlegen musste, was er anziehen sollte, aber die Wirkung, die Frauen in Uniform zuweilen hatten, empfand er immer als seltsam. Nicht alle Uniformen natürlich, keine Nazis, Kantinenmitarbeiterinnen, Verkehrspolizistinnen. Er versuchte sich zu erinnern, ob er Julia jemals in einer Uniform gesehen hatte. Aus dem Stegreif fiel ihm keine Uniform ein, die ihr gestanden hätte, sie war kein Uniformtyp. Louise Monroes Kombination aus schwarzem Kostüm und weißer Bluse war eine Art Uniform. An ihrem Hals sah man ihren Herzschlag. Dadurch erschien sie verletzlicher, als sie wahrscheinlich war.
Der dritte Gedanke schaffte es in seinem Hirn nie bis nach vorn, denn in diesem Moment bemerkte ihn die Frau in dieser speziellen Uniform, griff in die Spülmaschine, nahm einen großen Teller heraus und ließ ihn mit einer geschmeidigen Bewegung durch die Luft direkt auf seinen Kopf zusegeln, als wäre es ein Frisbee. Jackson duckte sich, der Teller flog durch die offene Küchentür in die Eingangshalle. Er hob die Hände, bevor sie nach einem weiteren Teller langte. »Gehen Sie immer gleich aufs Ganze?«, fragte er.
»Universitätsmeisterin im Diskuswerfen«, sagte sie ohne offensichtliche Gewissenbisse, obwohl sie ihn beinahe enthauptet hätte. »Warum schleichen Sie sich an?«
»Ich schleiche mich nicht an, ich suche jemanden, der meine Wohnung putzt«, sagte Jackson und versuchte, wie ein hilfloser Mann zu klingen. (»Sollte dir nicht allzu schwerfallen«, hörte er Josies Stimme in seinem Kopf.) »Ich habe den Kombi gesehen und …«
»Wir werden nicht als Putzfrauen bezeichnet. Wir werden ›Mädchen‹ genannt.« Sie wurde ein bisschen umgänglicher. »Tut mir leid, ich bin nervös.« Sie setzte sich an den Tisch und fuhr sich mit Händen, die rot und wund waren von irgendeiner Dermatitis, durchs Haar. Sie sagte: »Heute Morgen hat Sophia, ein Mädchen, eher Freundin, einen Mann gefunden, der ermordet wurde in einem Haus, in dem wir putzen. War schrecklich«, sagte das ausländische Mädchen traurig.
»Das war es bestimmt«, sagte Jackson.
»Dafür werden wir nicht gut genug bezahlt.«
Geld. Immer ein guter Anfang nach Jacksons Erfahrung. Er holte fünf Zwanzigpfundscheine aus seiner Brieftasche und legte sie auf den Tisch. »Wie heißen Sie?«, fragte er das Mädchen.
»Marijut.«
»Okay, Marijut«, sagte Jackson und schaltete den elektrischen Wasserkocher ein. »Wie wäre es mit einer schönen Tasse Tee?«
»Eine junge Frau«, wiederholte Jackson geduldig, »ich möchte wissen, ob sie auf Ihrer Liste steht.« Im Büro von
Hilfe
herrschte eine gelangweilte Atmosphäre. Das Mädchen, das die Aufsicht führte und die einzige Person im Gebäude zu sein schien, sprach schlecht Englisch und schien absichtlich alles misszuverstehen, was Jackson sagte. Automatisch schaltete er auf Pidgin-Englisch um, weil er tief in seiner atavistischen Einheimischenseele glaubte, Ausländer könnten nicht fließend Englisch sprechen, wohingegen es die Engländer waren, die selbstverständlich keine Fremdsprachen beherrschten. »Ohren? Kreuze?«, sagte er laut.
Das Büro befand sich in einem vernachlässigten, gepflasterten Sträßchen, das von der High Street abging. Der Ruß war längst vom Gesicht Edinburghs weggewaschen worden, aber die Steine hier waren noch verkrustet mit schwarzen Überresten aus der stinkenden Vergangenheit der Hauptstadt. Es war ein kalter ungeliebter Ort, seltsam unberührt sowohl von der Aufklärung als auch von Immobilienspekulanten.
Hilfe
war eingezwängt zwischen einem Restaurant (einem selbsternannten »Bistro«) und Fringe-Veranstaltungsort 87. Jackson spähte in das düstere, fleischfarbene Innere des Bistros, in dem noch einige wenige Gäste zu Mittag aßen. Er schwor sich, nie einen Fuß hineinzusetzen. Von außen sah der Fringe-Veranstaltungsort wie eine Sauna aus, aber im Inneren fand er eine Gruppe unwirscher amerikanischer
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