Liebesdienste / Roman
russischer Puppen«, sagte sie. »Bei denen eine in der anderen steckt. Matri-irgendwas.«
»Matroschka?«
»Ja.«
»Diese hier kann man nicht öffnen«, sagte Jackson.
»Weil sie die kleinste ist. Das Baby.«
Jackson steckte die Puppe ein. Vor nicht einmal zwei Stunden war er hier gewesen: Wie konnten sie ihre Zelte abgebaut haben und verschwunden sein, ohne eine Spur zu hinterlassen? Nein, sie hatten etwas vergessen – da lag etwas auf dem Fensterbrett. Eine rosa Karte.
Hilfe – Wir erfüllen Ihre Wünsche!
Er griff danach und hielt sie Louise Monroe vors Gesicht. »Sehen Sie«, sagte er triumphierend. »Ich habe es nicht erfunden.«
»Ich weiß«, sagte sie und zog eine identische Karte aus ihrer Tasche. »Hokuspokus.«
»Woher haben Sie die?«
»Von einer toten Prostituierten.«
»Tot? Wie in getötet?«
»Nein, Überdosis. Keine faulen Tricks, abgesehen von Drogenhandel, Prostitution, wirtschaftlicher Ausbeutung, illegaler Einwanderung natürlich. Es ist nicht mein Fall«, sagte sie mit einem Achselzucken, als wäre es ihr gleichgültig.
Jackson war überzeugt, dass dem nicht so war. »Zwei tote Mädchen innerhalb von vierundzwanzig Stunden«, sagte er, »beide haben diese Karte bei sich. Was sagt Ihnen das?«
»Die Karten sind die einzige Verbindung zwischen ihnen.«
»Aber das reicht«, beharrte Jackson. »Ich wette mit Ihnen, dass die Reinigungsfirma eine Fassade ist, vielleicht holen sie die Mädchen damit ins Land, vielleicht picken sie sich die Schwächeren heraus, nehmen ihnen den Pass weg, bedrohen die Leute, die sie zurückgelassen haben. Verdammt, Sie wissen doch, wie das geht. Es gibt eine Verbindung zwischen den beiden Mädchen, es muss eine geben. Und sie führt hierher.«
»Könnte Zufall sein.«
»Sie spielen des Teufels Advokaten. Und ich glaube nicht an Zufälle«, sagte Jackson. »Ein Zufall ist lediglich eine Erklärung, die noch auf sich warten lässt.«
»So viel Weisheit von jemandem, der sich so unklug verhält, und ich möchte Sie noch einmal darauf hinweisen, dass Sie kein Polizist sind und dies nicht Ihr Fall ist.«
»Nein, es ist
Ihr
Fall.« Frustration gewann allmählich die Oberhand. Er wünschte, er hätte der »Haushälterin« Handschellen angelegt und sie an den nächsten schweren Gegenstand gefesselt. Hätte er nur sein totes Mädchen an einer Boje festmachen, den rosa Kombi heute Nachmittag anketten oder Marijut in Schutzhaft nehmen können, irgendetwas, was ein unwiderlegbarer Beweis gewesen wäre und nicht diese Fata Morgana. Er kam sich vor, als würde er versuchen, Wasser festzuhalten. »Es wäre hilfreich, wenn Sie mir glauben würden«, sagte er, und es klang jämmerlicher, als er beabsichtigt hatte.
Er dachte, sie würde erneut widerborstig reagieren, aber sie ging zu einem schmutzigen Fenster und schaute hinaus – auf die Steinmauer gegenüber. Dann seufzte sie und sagte: »Ich habe jetzt Feierabend. Zeit für einen Drink.«
»Sie mögen
Country
musik?«, fragte Louise Monroe ungläubig. »Frauen mit großem Herzen und Männer mit schlechtem Lebenswandel und so Zeug?«
»Es gibt auch andere Countrymusik.«
»Und Sie leben in Frankreich?« Es war mehr ein Verhör als eine Unterhaltung. Eigentlich war es ihm doch lieber, wenn sie seine psychische Verfassung in Zweifel zog und ihn einen Idioten nannte.
»Ich war noch nie in Frankreich«, sagte Louise.
»Nicht einmal in Paris?«
»Nein, nicht einmal in Paris.«
»Nicht einmal in Disneyland?«
»Herrgott, ich war noch nie in Frankreich. Okay?«
»Okay. Wollen Sie noch einen Drink?«, fragte er.
»Nein, danke, ich muss fahren. Ich sollte überhaupt nicht trinken.«
»Und doch tun Sie es.« Ihr Gespräch hatte sich bislang auf eine nahezu männliche Neutralität beschränkt, das heißt, Jackson hatte die Scheidung eingestanden, und sie hatte mit den Achseln gezuckt und gesagt: »War nie verheiratet, wüsste nicht, warum.« Er hatte erfahren, dass sie Saabs mochte, dass sie schnell zur Oberkommissarin aufgestiegen und »auf dem Weg nach oben über Leichen« gegangen war, dass sie Kontaktlinsen trug (»Sie sollten es mal damit versuchen«). Aber dann fragte sie plötzlich: »Haben Sie jemanden?« Und er sagte: »Julia. Sie ist Schauspielerin.« Es klang, als wollte er sich dafür entschuldigen, als wäre Schauspielerin etwas Peinliches (was es auch häufig war). Hätte Louise nicht gefragt, hätte Jackson Julia erwähnt? Die traurige männliche Antwort lautete: nein. »Sie spielt in einem
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