Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
Vom Netzwerk:
sie sich wieder erholt hatte, war es zu spät, um sie zu fragen, warum sie das so lustig fand.

33
    L ouise saß in ihrem Wagen und wählte seine Nummer, und bevor er Zeit hatte, etwas zu sagen, fragte sie: »Wie waren Sie mit vierzehn?«
    »Mit vierzehn?«
    »Ja, mit vierzehn«, wiederholte sie. Der Klang seiner Stimme gab ihr einen Kick. Er war genau die richtige Sorte von falsch.
    »Ich weiß nicht«, sagte er schließlich. »Jedenfalls kein Ministrant. Ein Rabauke vermutlich, wie viele Jungen in dem Alter.«
    »Ich weiß absolut nichts über Jungen in dem Alter.«
    »Warum sollten Sie?«
    »Mein Sohn ist vierzehn.«
    »Ihr Sohn?« Er klang erstaunt. »Mir war nicht klar, dass Sie …«
    »Mutter sind?«, ergänzte sie. »Ich weiß, es ist kaum zu glauben, aber so ist es, die alte Geschichte – Sperma trifft auf Ei und bumm. Es kann den Besten passieren.« Sie seufzte. »Vierzehnjährige sind ein Albtraum.« Sie merkte, dass sie sich ans Lenkrad klammerte, als hätte sie Leichenstarre.
    »Wie heißt er?«
    »Archie.«
Wie heißt er?
Das war eine Frage, die Eltern stellten, dachte Louise. Als Archie geboren wurde, fragten nur Leute, die selbst Babys hatten: »Wie viel wiegt er?« Männer, die keine Väter waren, hatten sich nicht dafür interessiert, wie viel Archie wog oder wie sie ihn nennen wollte. Daraus folgerte sie, dass Jackson Brodie Kinder hatte. Davon wollte sie nichts wissen, sie war nicht interessiert an Secondhand-Männern mit Gepäck. Kinder waren Gepäck, Zeug, das man mit sich herumschleppte. Ballast.
    »Haben Sie Kinder?«, fragte sie. Sie konnte nicht anders.
    »Ja, eins, ein Mädchen«, antwortete Jackson. »Marlee. Sie ist zehn. Ich weiß nichts über zehnjährige Mädchen, falls Sie das tröstet.«
    »Archie ist nicht kriminell«, sagte Louise, als hätte Jackson ihn beschuldigt. »Im Grunde ist er harmlos.«
    »Ich wäre mit fünfzehn beinahe vor Gericht gelandet wegen Diebstahl.«
    »Und dann?«
    »Bin ich zur Armee.«
    Himmel. Archie bei der Armee, das war eine Idee.
    »Rufen Sie deswegen an?«, fragte er. »Weil Sie Rat in Erziehungsdingen brauchen?«
    »Nein. Ich rufe an, weil ich in einer Siedlung in Burdiehouse bin.«
    »Toller Name für eine Siedlung.« Er klang müde.
    »Ich stehe vor einem Laden, der zugenagelt ist. Ich glaube, es war eine Postfiliale. Auf der einen Seite ist ein Fisch-und-Chips-Laden, auf der anderen ein Supermarkt. Einstöckige, gewerblich genutzte Gebäude, keine Wohnungen darüber.«
    »Warum erzählen Sie mir das, und sollten Sie sich dort allein im Dunkeln herumtreiben?«
    »Das ist sehr galant von Ihnen, aber ich bin erwachsen. Ich erzähle es Ihnen, weil ich dachte, Sie würden gern wissen, dass das die Adresse ist, die Terence Smith heute Morgen bei Gericht angegeben hat.«
    »Honda-Mann hat eine falsche Adresse angegeben?«
    »Und das ist ein Vergehen. Wie Sie wissen. Ich habe Ihnen doch gesagt, dass es idiotisch war, sich schuldig zu bekennen. Und übrigens hat sich gestern niemand anders sein Autokennzeichen gemerkt. Sie haben also die Ermittlungen behindert, weil Sie wichtige Informationen zurückgehalten haben.«
    »Zeigen Sie mich an«, sagte Jackson. »Ich habe ihn übrigens gerade gesehen, er hat versucht, jemanden umzubringen.«
    »Terence Smith?«, sagte sie scharf. »Bitte erzählen Sie mir nicht, dass Sie sich wieder mit ihm angelegt haben.«
    »Nein, aber die Polizei war ganz versessen darauf, mich zu befragen.«
    »Herrgott, was ist nur los mit Ihnen?«
    »Scherereien sind meine besten Freunde.«
    »Er hat versucht, jemanden umzubringen? Ist das wieder eine Ihrer Phantasien?«
    »Ich phantasiere nicht. Jedenfalls nicht, wenn es um Leute geht, die jemanden umbringen wollen. Wenn ich Ihnen erzähle, was passiert ist, werden Sie mich für noch paranoider und verrückter halten, als Sie es bereits tun.«
    »Versuchen Sie es«, sagte sie.
    »Ich habe ein Mädchen gesehen, das aussieht wie mein totes Mädchen. Sie trug sogar die gleichen Ohrringe.«
    »Sie sind noch paranoider und verrückter, als ich dachte.«
    »Habe ich es Ihnen doch gesagt.«
    »Sie sehen überall tote Mädchen.«
    »Nein, ich sehe überall dasselbe tote Mädchen.«
    Er war ein offizieller Irrer, entschied sie. Merkwürdigerweise wurde er dadurch nicht weniger attraktiv. Sie seufzte. »Wie auch immer, gute Nacht. Ich fahre nach Hause. Schlafen Sie gut.«
     
    Es gab Regeln. Die Regeln besagten, dass man nicht mit Zeugen rummachte, dass man nicht mit Verdächtigen rummachte,

Weitere Kostenlose Bücher