Liebesdienste / Roman
Mächtigen, und verzweifelt!
zitiert. Gloria konnte sich auf die Schnelle an kein Geschenk von einem Mitglied ihrer Familie erinnern, das ihr tatsächlich gefallen hätte. Emily (»und Nick«) schenkten ihr zu Weihnachten eine Küchenmaschine, eine schlechtere Marke als die, die sie bereits hatte, und von Graham bekam sie einen Einkaufsgutschein von Jenners’, ein Geschenk, das keinen großen Einfallsreichtum erforderte und das wahrscheinlich seine Verkaufsleiterin-plus-Geliebte-plus-Möchtegernehefrau Maggie Louden besorgt hatte. Gloria wäre nicht im Traum auf den Gedanken gekommen, dass die Frau, die vor ihrem Weihnachtsbaum stand und keine Pastete wollte, vorhatte, die nächste Mrs. Graham Hatter zu werden.
Die Hand, die sie verhöhnte, und das Herz, das sie nährte.
Sie trank eine Tasse Tee, die ihr eine freundliche Schwester brachte, und blätterte in der
Evening News,
die sie unten gekauft hatte.
Polizei bittet um Mithilfe: Hat jemand eine Frau ins Wasser gehen sehen?
Ihr Blick fiel auf die Worte:
Ohrringe in Form von Kruzifixen.
Sie stellte ihre Tasse ab und las die kurze Meldung noch einmal.
Ins Wasser gehen
– was sollte das denn heißen?
Als sie wieder zu Hause war, ging Gloria in den Keller, um die Überwachungsanlage für die Nacht einzuschalten. Auf einem der Monitore bewegte sich etwas, ein Paar Augen, das in der Nacht grässlich glühte – ein Fuchs, ein großer männlicher Fuchs, der die Überreste von Glorias Abendessen davontrug. Dann wurde der Monitor plötzlich schwarz.
Dann wurden alle Monitore schwarz, einer nach dem anderen. Keine kleinen Roboter mehr, die sich hierhin und dorthin drehten und ihre elektronischen Augen offen hielten. Die Lichter der Alarmanlage flackerten und erloschen, und dann fiel der Strom im ganzen Haus aus. So wäre es für Graham, wenn er stürbe.
Eine Sicherung musste durchgebrannt sein, sagte sich Gloria. Kein Grund zur Sorge. Sie tastete sich in der totalen Dunkelheit des Kellers an der Wand entlang zum Sicherungskasten. Sie hörte ein Geräusch. Einen Schritt, eine Tür, die geöffnet wurde, ein Dielenbrett knarzte.
Ihr Herz begann so laut zu schlagen, dass sie meinte, es müsste wie ein Leuchtturm in der Dunkelheit ihre Position kundtun. Heute Morgen war in Merchiston ein Mann totgeschlagen worden, wer weiß, vielleicht war der Mörder in einen südlicheren Vorort weitergezogen? Sie wünschte, sie wäre bewaffnet. Im Geist ging sie durch, was ihr zur Verfügung stand. Im Schuppen befand sich das größte Arsenal – Unkrautspray, eine Axt, die elektrische Heckenschere, der Grastrimmer –, mit dem Trimmer konnte man jemandem die Knöchel schwer verletzen. Leider gab es keine Möglichkeit, in den Schuppen zu gelangen, ohne an dem Eindringling im Haus vorbeizumüssen. Hatte er Augen aus Diamanten und Jett, war er so groß wie ein Bär?
Plötzlich fielen ihr Maggie Loudens Worte ein.
Ist es erledigt, ist es vorbei? Bist du Gloria los?
Was, wenn sie nicht von Scheidung, sondern von Mord gesprochen hatte?
Natürlich, genau das würde Graham tun! Wenn er sich von Gloria scheiden ließe, müsste er die Hälfte von allem, was er hatte, abgeben, und das würde Graham um nichts in der Welt zulassen. Aber wenn Gloria starb, konnte er alles behalten. Das Vorhaben war so melodramatisch wie die Plots von
Emmerdale
und doch absolut glaubwürdig. Er würde jemanden beauftragen – Graham machte sich nie selbst die Hände schmutzig. Er würde jemanden bezahlen, um sie loszuwerden. Oder er würde Terry schicken. Ja, das würde er tun, er würde Terry benutzen.
Gloria presste die Hand aufs Herz in dem Versuch, das verräterische Pochen zu dämpfen. Ein weiteres Dielenbrett knarzte, diesmal viel näher, und Gloria sah jemanden oben an der Kellertreppe stehen, eine Gestalt, umgeben von einer Aura aus Mondlicht, das durch das Atriumoberlicht in der Eingangshalle fiel.
Die Gestalt begann die Treppe hinunterzugehen. Gloria holte tief Luft und sagte bestimmt: »Bevor Sie weitergehen, sollten Sie wissen, dass ich bewaffnet bin.« Natürlich eine Lüge, aber unter diesen Umständen eignete sich die Wahrheit nicht als Waffe. Die Gestalt zögerte, beugte sich vor, um besser in den Keller sehen zu können, und dann sagte eine bekannte Stimme: »Hallo, Gloria.«
Gloria stieß einen kleinen Schreckensschrei aus. »Ich dachte, Sie sind tot.«
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A ls Martin ins Four Clans zurückkehrte, stand nicht mehr die Gefängnisdirektorin an der Rezeption, sondern der Nachtportier
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