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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Beryl hatte, bevor sie ihr Schwammhirn-Syndrom erwarb, ihren Hintern immer »derrière« genannt, wahrscheinlich das einzige französische Wort, das sie kannte.
    »Arsch, Arsch, Arsch«, sagte Gloria zu ihrem Spiegelhintern. Der rote Veloursanzug war weich und trug sich angenehm, so fühlten sich wahrscheinlich Babys in ihren Strampelanzügen. Sie zog die Turnschuhe an, die sie sich für die Flotten Fünfziger gekauft hatte. Sie waren mehr oder weniger noch so weiß und sauber wie am ersten Tag. Als sie die Treppe hinunterging, fühlte sie sich leichter, als wäre sie bereit für etwas. Bereit zu laufen.
    Gloria seufzte. Sie hörte die weinerliche Stimme von Grahams Sekretärin, Christine Tennant, wieder einmal auf den Anrufbeantworter sprechen:
Graham, wir brauchen dich hier!
Gloria nahm den Hörer ab und sagte: »Christine, was kann ich für Sie tun?«, in dem effizienten Tonfall einer Frau, die hochhackige Schuhe und kleine Geschäftskostüme getragen hatte, statt von einem Barhocker zu rutschen und ihrem zukünftigen Mann wie ein Hündchen zu folgen.
    »Das Betrugsdezernat war wieder da«, sagte Christine. »Sie wollen Graham befragen. Er ist nicht wirklich in Thurso, oder?«, fügte sie hinzu und klang dabei eher traurig als bitter. »Er hat uns alle verraten, nicht wahr? Er ist auf und davon, und wir müssen jetzt die Suppe auslöffeln.«
    »Ich weiß es nicht, Christine.« Sie legte auf. Christine tat ihr fast leid, die vielen Jahre treuer Dienste, und was hatte sie dafür vorzuweisen? Vielleicht sollte sie ihr Blumen oder einen Korb mit Obst schicken. Ein Korb mit Obst war ein schönes Geschenk.
    Der Mann von der Sicherheitsfirma tauchte unerwartet und maulwurfartig aus dem Keller auf. »Irgendetwas stimmt mit den Sensoren an Ihrem Tor nicht«, sagte er dramatischer, als es Gloria geboten schien. »Ihre Bildschirme und Ihre Panikschalter funktionieren wieder, aber ich muss später noch mal mit Ersatzteilen wiederkommen. Ich weiß nicht, was da unten los ist.«
    Er war ein kleiner Mann mit den Charakterproblemen kleiner Männer, ging Gloria auf. Prompt richtete er sich zu seiner vollen wichtigtuerischen Größe auf und sagte: »Haben Sie jemand Verdächtigen hereingelassen?«
    »Warum sollte ich jemand Verdächtigen hereinlassen?«, fragte Gloria.
    Die Antwort schien ihn nicht zu befriedigen, und mit dem Versprechen, später noch einmal zu kommen, stolzierte er den Gartenweg entlang wie ein großspuriger Gockel. Ein Rotkehlchen hüpfte auf dem Weg in die entgegengesetzte Richtung, Mann und Vogel nahmen einander nicht zur Kenntnis. Der Weg war gesäumt von schmalen Beeten Sommerpflanzen – Löwenmäulchen und Salbei, beides nicht nach Glorias Geschmack, aber Bill war ein altmodischer Gärtner gewesen, und sie hatte ihn nicht um avantgardistischere Gartenbaumaßnahmen bitten wollen. Bliebe sie in diesem Haus, würde sie Laubengänge aus Rosen anlegen und Geißblatt pflanzen. Reihen über Reihen von Wicken. Aber sie würde nicht bleiben.
    Der kräftige Geruch nach Kaffee stieg ihr in die Nase, und sie folgte der Duftspur wie ein süchtiges Bisto-Kid zurück ins Haus und in die Küche, wo Tatiana am Tisch saß, rauchte und die Zeitung las. Tatiana tippte mit einem lackierten Fingernagel auf die Schlagzeile (»Großfahndung nach Mord an Fringe-Kabarettisten«) und sagte: »Viel böse Leute unterwegs.«
    Tatiana hatte in einem brauchbaren Schlafanzug von Gloria geschlafen und gefrühstückt, aber jetzt war sie schicker angezogen. Sie trug ein Paar zierlicher Schuhe, »Marc Jacobs«, sagte sie, streckte den Fuß und bewunderte ihn, sowie eine schlichte schwarze Hose und ein bedrucktes Oberteil aus Seide. »Prada«, sagte sie und streichelte den Stoff. »Prada ist Wahrheit«, fügte sie hinzu und blies Rauch zur Decke. »Ich weiß viele Wahrheiten, Gloria.«
    »Wirklich?«, sagte Gloria. »Dann passen Sie besser auf sich auf.«
    Glorias Herz war fast stehen geblieben, als Tatiana gestern Abend in den Keller kam. »Ich dachte, Sie sind tot«, hatte Gloria gesagt, und Tatiana hatte gelacht und erwidert: »Warum glauben Sie das? Haustür ist nicht zugesperrt«, fügte sie hinzu. »Jemand kann
Sie
in Ihrem Bett umbringen, Gloria.«
    »Ich bin nicht in meinem Bett«, sagte Gloria und folgte ihr die Treppe hinauf und in die Küche, wo sie in Schubladen nach Kerzen und Streichhölzern kramte. Der Strom kehrte zurück, bevor sie eins von beidem gefunden hatte.
    »In der Zeitung steht, die Polizei glaubt, dass ein Mädchen

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