Liebesdienste / Roman
Ausschau und entdeckte ihn in der Nähe der Bar, aufrecht stehend, die Hände vorn gefasst, als wollte er einen Strafstoß abwehren. Ihm fehlten nur der schwarze Anzug und der Köpfhörer, und er hätte wie ein Bodyguard des amerikanischen Präsidenten ausgesehen. Jackson stand reglos da, wachsam wie ein intelligenter Schäferhund, sein Blick schweifte ruhelos durch den Raum. Er hatte das beruhigende Auftreten von jemandem, der wusste, was er tat. Martin verspürte kurz einen absurden Stolz auf Jacksons Professionalität. Er war der richtige Mann.
»Solange ich aufpasse, wird Ihnen nichts passieren, Martin«, hatte Jackson lakonisch gesagt. Martin dachte, dass die Leute so etwas nur im Film sagten.
Betty-May las als Erste, zu schnell und zu atemlos. Die arme Frau wurde dreimal unterbrochen, zweimal von Mitgliedern des Publikums, die sie aufforderten, »lauter« und »deutlicher« zu sprechen, und einmal von einem Handy, das plötzlich die Eröffnungstakte von Beethovens Fünfter spielte.
Tarvit hingegen war der abgebrühte Profi. So, wie er las, brachte er die dramatische Spannung ein, die Martin beim Lesen der Seiten vermisst hatte. Tarvit las lange, viel länger als die ihm zugestandenen zehn Minuten. Martin blickte verstohlen auf seine Uhr und sah nur sein nacktes Handgelenk – er hatte sich noch nicht daran gewöhnt, dass sie nicht mehr da war. Was hatte Richard Moat in den letzten Minuten und Sekunden seines Lebens empfunden? Er ertrug es nicht, darüber nachzudenken. Warum hatte ihn die Person angerufen, die Richard Moat ermordet hatte? Wollte der Kerl wiederkommen und auch ihn umbringen? Hatte er von Anfang an vorgehabt, ihn umzubringen, und erst später gemerkt, dass er den Falschen erwischt hatte?
Martins Magen knurrte so laut, dass es im ganzen Zelt zu hören sein musste. Es war ein bisschen viel verlangt, hier zu sitzen und anderen beim Essen zuzusehen, vor allem weil er heute noch überhaupt nichts gegessen hatte. Betty-May drückte ihm ein Minzbonbon in die Hand und lächelte ihm gelbzähnig aufmunternd zu.
Tarvit fesselte das Publikum, und als er aufhörte, folgte ein kollektives Ausatmen, als wollten sie, dass er weiterlas. Bitte nicht, dachte Martin. Die hagere Frau kam wieder aufs Podium und sagte: »Das war wunderbar, Dougal, das wird schwer zu toppen sein, aber ich bin sicher, dass Alex Blake die Herausforderung annimmt.« Danke, dachte Martin. »Wenn Sie sich ein bisschen kürzer fassen könnten, Alex«, murmelte sie ihm zu.
Als gefragt werden durfte, schossen überall Hände in die Höhe. Junge Leute, Studenten, liefen mit Mikrofonen herum, und Martin machte sich auf die üblichen Fragen gefasst.
(Schreiben Sie mit der Hand oder mit dem Computer? Haben Sie einen feststehenden Tagesablauf?)
Natürlich hatte er einst auf der anderen Seite des Podiums gestanden und genau die gleichen Fragen an Schriftsteller gerichtet, die er bewunderte.
Mr. Faulks, von wem wurden Sie literarisch beeinflusst?
Ich war genau so ein Leser, dachte Martin niedergeschlagen. Langsam wünschte er, dass er nie auf die andere Seite gewechselt wäre.
Zu seinem Entsetzen gab es ein Sperrfeuer von Fragen zu seiner neuen traurigen Berühmtheit:
Wie war es, im Zentrum der Ermittlungen in einem echten Mordfall zu stehen? Rückte es seine eigene Arbeit in eine andere Perspektive? Stimmte es, dass Richard Moat enthauptet worden war?
Die hagere Frau schritt ängstlich ein: »Das sind vielleicht nicht die geeigneten Fragen, und ich glaube wirklich, dass wir nicht über etwas sprechen sollten, was schließlich ein noch nicht abgeschlossener Fall ist. Stellen wir doch Fragen zum
Werk
. Deswegen sind wir schließlich hier.« Alle Fragen zum
Werk
galten Betty-May und Tarvit, nicht Martin, mit einer Ausnahme: Eine hartnäckige, stämmige Frau wollte wissen, ob sein Glaube der »Kreativität« nütze oder ob es eher umgekehrt sei? (»Schwer zu sagen«, antwortete Martin.)
Die hagere Frau – Martin hatte keine Ahnung, wie sie hieß, und würde es wahrscheinlich nie erfahren – klatschte in die Hände und sagte: »Tut mir leid, aber unsere Zeit ist um, es war ein wirklicher Leckerbissen. Im Signierzelt können Sie Bücher unserer Autoren kaufen und sie signieren lassen. Ich bitte nochmals um Applaus für unsere …«
Im Signierzelt saßen sie an drei identischen Tischen. Jedes Mal, wenn sich ihm ein beflissener Leser näherte, schlug Martins Herz vor Panik schneller, aus Angst, er könnte sich, während Martin
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