Liebesdienste / Roman
hatte der Mann den Bären, um Geld zu machen. Alle in St. Petersburg versuchten, Geld zu machen: Lehrer ohne Pension verkauften Bücher, knorrige alte Mütterchen verkauften, was sie gestrickt hatten, Mädchen verkauften ihren Körper.
Der Event wurde von einer hageren Frau geleitet, deren Befähigungsnachweis vage war, aber in ihrer Einführung behauptete sie, ein »Riesenfan« von »Genreliteratur« zu sein und »was für ein wunderbares Privileg es doch ist, dass eine Gruppe so unterschiedlicher Schriftsteller heute Mittag bei uns zu Gast ist«. Klatsch, klatsch, klatsch, sie deutete mit beiden Händen auf die Schriftsteller und machte eine kleine Geishaverbeugung.
Martin saß mit zwei anderen Schriftstellern auf dem Podium. Eine davon war eine Amerikanerin namens E. M. Watson, die auf einer Lesereise war, »um in den britischen Markt einzubrechen«, und grausame, aufgeregte Bücher über Serienmörder schrieb. Martin hatte mit einer akkuraten und strengen Person gerechnet, schwarz gekleidet und mit einer Spur Harvard, aber sie war eine etwas ungepflegte Blondine aus Alabama mit gelben Zähnen, insgesamt eine schlampige Erscheinung. Wenn sie sprach, hielt sie die Hand vor den Mund. Martin dachte, sie täte es wegen ihrer gelben Zähne, doch sie flüsterte ihm zu: »Ich will den Mund nicht aufmachen, sie werden meinen Akzent hassen.« Martin versicherte ihr, dass dem nicht so wäre. Aber es war so.
Das kleine Trio wurde komplettiert von Dougal Tarvit, der im Norden, in der Gegend von Nina Riley, lebte und »psychologische Thriller« schrieb, die locker auf wahren Begebenheiten beruhten. Martin hatte versucht, sie zu lesen, es jedoch wieder aufgegeben, da nicht wirklich etwas passierte.
Das Spiegelzelt war voll besetzt. Martin vermutete, dass das Publikum aus wirtschaftlichen Erwägungen so zahlreich erschienen war – freies Essen und drei Schriftsteller zum Preis von einem –, aber in der Flaute vor Veranstaltungsbeginn dämmerte ihm, dass
er
das Zentrum der Aufmerksamkeit war. Die Leute sprachen über ihn, in manchen Fällen ziemlich laut, als wäre er gar nicht da.
Er hörte deutlich eine Morningside-Stimme nörgeln: »Aber ich dachte, er ist tot«, und der Tonfall implizierte, dass die Frau sich durch seinen Live-Auftritt betrogen fühlte.
E. M. Watson neigte sich zu ihm und sagte: »He, Alex, alles in Ordnung, Honey?«
Martin beruhigte sie. »Mein richtiger Name ist Martin«, fügte er hinzu. Wie nannte sich E. M. Watson, doch bestimmt nicht »E-M«?
»Nein.« Sie lachte. »Eigentlich heiße ich Elizabeth Mary – zwei Königinnen zum Preis von einer, hat meine Momma immer gesagt, aber die Leute nennen mich Betty-May.«
»Herrgott«, hörten sie beide Dougal Tarvit murmeln, »ich komme mir vor, als wäre ich bei den verdammten
Magnolien aus Stahl
gefangen.«
Tarvit, der auf seinem Stuhl hing, als wären Schlaffheit und eine schlechte Haltung Ausdruck von Männlichkeit, schien beide Kollegen zu verachten – E. M. Watson, weil sie eine Frau war, und Martin, weil er »populistische Scheiße« schrieb, Worte die er Martin im Verlauf der nächsten betrüblich streitsüchtigen Stunde tatsächlich an den Kopf warf. (»Nun, heute scheinen die Messer gewetzt zu sein«, sagte die hagere Frau und blickte sich nervös um, als wollte sie sich die Ausgänge des Spiegelzelts einprägen.)
»Ich dachte, es wäre nur eine Lesung«, flüsterte E. M. Watson Martin zu. »Ich wusste nicht, dass es auch eine Diskussion gibt.«
»Sollte es auch nicht«, flüsterte Martin zurück. Dougal Tarvit starrte sie beide finster an. Martin bereute jetzt, dass er Melanies Angebot zu kommen abgelehnt hatte; seine Agentin war, wenn schon nichts anderes, für jede Prügelei zu haben. Dougal Tarvit war nichts weiter als ein polemisches Großmaul und Melanie nicht gewachsen. Wenn sie ihn mit ihrem Mundwerk nicht zerrissen hätte, dann hätte sie ihn mit bloßen Fäusten erschlagen.
»Er ist nur neidisch«, flüsterte Betty-May Martin zu. »Weil Sie in einen echten Mordfall verwickelt sind.«
»Jeder von Ihnen wird bitte zehn Minuten lesen«, sagte die hagere Frau, »so dass wir am Schluss noch viel Zeit für Fragen haben.«
Das Publikum bestand wie gewöhnlich überwiegend aus Frauen mittleren Alters, aber Dougal Tarvits vernichtende Art hatte auch ein paar jüngere männliche Elemente angezogen. Martins typisches Publikum bestand nahezu ausschließlich aus Frauen, die älter waren als er. Er hielt nach Jackson
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