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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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Mr. Hatter, er hat sich aus dem Staub gemacht. Und ich soll den verdammten Sündenbock spielen, oder was?« Und dann schwang er mit einer mühelosen Bewegung Körper und Schläger und zerschlug eine Glasvitrine mit unzähligen Nippes in Tiergestalt. Der Mann liebte das Geräusch splitternden Glases. Er wandte sich wieder dem Zimmer zu und zögerte einen Moment, unsicher, was er als Nächstes zerschlagen sollte, und Jackson hatte Zeit genug, Gloria Hatter und ihre orangehaarige Freundin hinter das Sofa zu scheuchen (wo sich Gott sei Dank kein Fernsehmoderator befand).
    Terence Smith schien Jackson zum ersten Mal wahrzunehmen, und ein Runzeln machte sich auf seiner plumpen Stirn breit. »Sie?«, wunderte er sich. »
Hier?
Warum?« Dann fiel sein Blick auf Tatiana. »Und du auch?« Er hob erneut den Schläger und schwang ihn in Tatianas Richtung.
    Jackson stürzte sich auf sie, ein ziemlich ungeschicktes Rugbymanöver, versuchte, sie zu Boden zu werfen und mit seinem Körper abzuschirmen. Terence Smith traf ihn im Sprung mit einem heftigen Schlag gegen die Taille, und Jacksons Oberkörper kippte vornüber, als hinge er an einer Angel, und er fiel auf den Teppich. Ein schöner Teppich, wie er bemerkte, einer dieser dicken chinesischen Teppiche mit einem Muster, das wie gemeißelt scheint. Er sah es aus nächster Nähe. Wenn er den Kopf ein wenig drehte, unter großen Mühen und Schmerzen, sah er auch Martin – der immer noch zielsicher auf das Haus zuging, den Arm ausgestreckt, als würde er einen Kavallerieangriff leiten. Am Ende des Arms befand sich seine Hand (was zu hoffen stand), und in seiner Hand befand sich eine Waffe. Die Welrod. Die Welrod, über die Jackson sich gewundert hatte, als Martin sie am Morgen erwähnte.
    Jackson dachte: Na gut, okay, entworfen für einen verdeckten Nahschuss, aber auch auf einige Entfernung tödlich, allerdings nur in den Händen von jemandem, der schießen konnte. Und man hatte nur einen Schuss, weil man entweder tot oder verhaftet war, bis man wieder geladen hatte. Und Martin war, seien wir ehrlich, ein Stümper, und deshalb zwangsläufig auch ein miserabler Schütze.
    Martins Anblick war zu viel für Honda-Mann. Die Räder in seinem Gehirn schienen quietschend zum Stillstand zu kommen, offenbar war die Anstrengung zu groß, herauszufinden, warum alle Leute, die er umbringen wollte, sich gemeinsam in diesem Raum befanden. Dann gab er das Denken endgültig auf und wandte seine Aufmerksamkeit Jackson zu. Wenn er irgendwo anfangen musste, schien seine Miene zu besagen, warum dann nicht mit dem, der schon am Boden lag und vor Schmerzen stöhnte. Er hob den Schläger. Jackson rollte sich zusammen wie ein Fötus und versuchte, den Kopf mit den Händen zu schützen. Er fragte sich, was die anderen Personen im Raum taten, während er darauf wartete, dass ihm der Schädel zertrümmert wurde. Tatiana konnte doch sicherlich etwas Nützliches mit ihrem Messer unternehmen? Und wenn schon das nicht, dann konnte sie Terence Smith die Kehle mit den Zähnen zerreißen. Sie tat weder das eine noch das andere, er hörte sie stattdessen telefonieren, sie sprach Russisch, und zwar sehr schnell. Was sie wohl sagte? Schickt Anwälte, Waffen, Geld? Die Frau mit dem orangefarbenen Haar schrie. Sie tat das Richtige. Eine Menge Lärm würde die Polizei aufmerksam machen. Das wäre gut.
    Er befand sich wie in einem Kokon, die normalen Gesetze der Zeit galten nicht mehr. Es war das persönliche Ende seiner Tage, er zählte noch das letzte Lämmchen. Er war wieder zu Hause, in der schwach beleuchteten Küche des kleinen Reihenhauses – die Vergangenheit war in seiner Erinnerung immer schwach beleuchtet, er fragte sich, ob es daran lag, dass die Armen Glühbirnen mit niedriger Wattzahl benutzten –, er saß an einem Tisch, sein Bruder und seine Schwester neben ihm, sein Vater war frisch gewaschen von der Arbeit gekommen, seine Mutter verteilte Eintopf. Das schöne Haar seiner Schwester war zu Zöpfen geflochten (
Rattenschwänze
nannte sein Vater sie), das Gesicht seines Bruders war blass und offen, er hatte die Schuluniform an, die Jackson ein paar Jahre später tragen würde. Nicht
Versteckte Kamera,
sondern
Das war Ihr Leben
. Es war nur ein Augenblick, ein ganz gewöhnlicher, die Frau, die Milch aus einem Krug goss. Sie aßen ihr Abendbrot, ihre Mutter setzte sich erst, wenn sie fertig waren, und aß die Reste. Sein Bruder gab ihm einen Klaps auf den Hinterkopf, und er wusste, auch wenn es wehtat,

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