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Liebesdienste / Roman

Liebesdienste / Roman

Titel: Liebesdienste / Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Atkinson
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wenn er es nicht gern zugab.
    Es war der erste Tag des neuen Schuljahrs, Mittagspause, und Archie war unsicher, ob sie mit ihrer Schuluniform bedrohlich aussahen. Es war die Uniform einer »guten Schule«, seine Mutter hatte gelogen, was ihren Wohnort betraf, und die Adresse einer Freundin angegeben, damit sie zum Einzugsbereich von Gillespie gehörten. Und dann sagte sie, man dürfe nicht lügen! Dabei log sie die ganze Zeit. Und Archie musste jetzt jeden Tag zwei lange Busfahrten absolvieren.
    Es war mitten während des Festivals, nahezu die Mitte des Sommers, und überall in der Stadt liefen diese Wichser von Ausländern und Besuchern herum, amüsierten sich, hatten noch Ferien, und sie mussten wieder in die Schule. »Das reicht, um einen Jungen zum Verbrecher zu machen, was, Archie?«, hatte Hamish gesagt. Er hatte eine komische Art, sich auszudrücken, und Archie hatte zuerst befürchtet, dass es unmännlich wäre, doch jetzt glaubte er, dass es wahrscheinlich nur piekfein war. Hamish war von der Fettes verwiesen worden und erst letztes Jahr in Archies Klasse gekommen. Er war eigenartig, aber das lag vermutlich daran, dass er reich war.
    Dieses Geschäft war eine Entdeckung, ein kleiner Laden im Grassmarket, der Snowboard-Zubehör verkaufte. Wirklich nett. Hatte Stil. Es gab nur eine Verkäuferin, eine hochnäsige Schlampe, stark geschminkt und eingebildet. Er würde es ihr gern besorgen, das hätte sie dann davon. Er hatte es bislang noch keinem Mädchen besorgt, aber er dachte neunzig Prozent der Zeit, die er wach war, und hundert Prozent seiner Traumzeit an nichts anderes.
    Er wählte Hamishs Nummer, legte wieder auf, und Hamish machte einen auf Dramaqueen –
Wie meinst du das, Mum? Welches Krankenhaus? Aber heute Morgen ging es Dad doch noch gut,
und so weiter, während Archie ein Quiksilver-T-Shirt in die Tasche stopfte. Vielleicht trug Hamish zu dick auf, vielleicht war die hochnäsige Schlampe mehr auf Draht, als er gedacht hatte, was auch immer, plötzlich rannten sie beide durch die Tür, rasten wie bescheuerte
Athleten
davon, Archie glaubte, er hätte gleich einen Herzinfarkt. Er blieb stehen, beugte sich vor, schnappte nach Luft. Hamish schlitterte und rumpelte von hinten gegen ihn, lachte sich halb tot. »Die blöde Kuh ist nicht mal aus dem Laden gekommen«, sagte er und schaute sich um. »Was geht hier ab?«
    »Weiß nicht, irgendwas.«
    »Eine Schlägerei.« Hamish reckte triumphierend den Arm in die Luft.
»Ja!«
    Archie sah den erhobenen Baseballschläger, sah den Mann auf dem Boden liegen, wandte sich zu Hamish um und sagte: »Cool.«

6
    E ine Polizistin fragte: »Fahren Sie mit dem Krankenwagen mit?« Sie schien zu glauben, dass er ein Freund des verletzten Mannes war, und da der verletzte Mann im Augenblick ohne Freunde war, stieg Martin pflichtbewusst in den Krankenwagen.
Was du nicht willst, dass man dir tu, das füg auch keinem andern zu.
    Erst als sie vor dem neuen Royal Infirmary am Rand der Stadt ankamen, fiel ihm auf, dass er seine Tasche nicht mehr hatte. Er erinnerte sich, dass sie über die nassen Pflastersteine geklappert und geschlittert war, aber er wusste nicht, was danach damit geschehen war. Das war keine Katastrophe, alles war gesichert – der kleine fliederfarbene Sony-Stick befand sich in seiner Brieftasche –, und diese Sicherungskopie war noch einmal gesichert, das Back-up lag in einer Schublade in seinem »Büro«. Er stellte sich vor, dass, wer immer den Laptop gefunden hatte, ihn einschaltete, »Eigene Dateien« öffnete, seine Arbeit las und dachte, was für ein Schrott es doch war, Freunden einige Passagen laut vortrug und sie sich alle vor Lachen bepissten – denn er stellte sich die Person, die seinen Laptop fand, als jemanden vor, der sich »vor Lachen bepisste«, statt einfach nur zu lachen. Kichern würde er jedenfalls nicht. Eine weniger bürgerliche, weniger armselige Person als Martin
(Du bist wirklich ein altes Weib,
hatte sein Vater bei mehr als einer Gelegenheit zu ihm gesagt), eine Person, die Martins Leben und Arbeit des Spotts für würdig befand.
»Hier stimmt was nicht, Bertie«, flüsterte Nina, während sie auf Berties Schultern balancierte, um zwischen den Palmen im Wintergarten von Dunwrath Castle hindurch einen Blick auf Lord Carstairs zu werfen.
Bertie war Nina Rileys siebzehnjähriger Kumpel, den sie vor einem Leben als Dieb gerettet hatte.
    Unter Martins Dateien befand sich auch Korrespondenz
(Vielen Dank für Ihren Brief, ich freue

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