Liebesdienste / Roman
Maispudding mit Milch, Auflauf aus Hackfleisch und Kartoffelbrei). Und das alles unter den Augen liebevoller Eltern, elegant und gutmütig, außer wenn die Streiche außer Kontrolle gerieten, dann wurden sie zu strengen und ernsten Richtern. Vater pendelte jeden Tag und arbeitete etwas Geheimnisvolles »im Büro«, während Mutter Bridgepartys gab und Briefe schrieb. In dunkleren Tagen wurde der Vater für einen Verbrecher oder Spion gehalten und die Familie kurzzeitig in Not und Armut gestürzt (Mutter schaukelte es großartig), bevor alles aufgeklärt und wiedergutgemacht wurde.
»Ich will es«, sagte er zu der Frau von der Maklerfirma, die ihn durch das Haus führte.
»Sie und zehn andere Personen, die schriftlich ihr Interesse bekundet haben«, antwortete sie.
Sie verstand nicht, dass sein »Ich will es« keine einfache Feststellung seiner Kaufabsicht, keine Einschätzung, kein Gebot oder die Bezahlung war, sondern ein Schrei seines Herzens nach einem Heim. Nach einer Kindheit in wechselnden Militärkasernen, einer Jugend im Internat und in einem Lehrerhäuschen auf dem Anwesen der Schule im Lake District sehnte er sich nach einem eigenen Heim. An der Universität hatte er einmal für das Psychologiemodul eines Kommilitonen einen Wortassoziationstest gemacht, und als ihm das Wort »Heim« vorgelegt wurde, hatte Martin eine Niete gezogen – wo Emotionen hätten sein sollen, herrschte bei ihm eine verbale Leerstelle.
Als Harry, sein Vater, in den Ruhestand trat, versuchte seine Mutter, ihn zu überreden, in ihre Heimatstadt Edinburgh zurückzukehren. Sie versagte kläglich, und sie ließen sich stattdessen in Eastbourne nieder. Wie sich herausstellte (und das war wirklich keine Überraschung), war er von seinem Temperament her weder geeignet für den Ruhestand noch für ein sesshaftes Leben in einem soliden Reihenhaus mit drei Schlafzimmern und hübschen Zierleisten aus weißem Holz in einer stillen Straße keine fünf Minuten vom Kanal. Das Meer hatte keinerlei Anziehungskraft für ihn, jeden Morgen machte er zwar einen forschen Spaziergang am Strand, allerdings nur zur Körperertüchtigung, nicht zum Vergnügen. Alle, besonders seine Frau, waren erleichtert, als er drei Jahre später einen Herzinfarkt erlitt und tot umfiel während eines Streits mit einem Nachbarn, der seinen Wagen vor ihrem Haus abgestellt hatte. »Er hat nie akzeptiert, dass es eine öffentliche Straße war«, erklärte die Mutter Martin und seinem Bruder Christopher bei der Beerdigung, als wäre das irgendwie die Ursache seines Todes.
Ihrer Mutter fehlte der Wille, Eastbourne zu verlassen – sie war noch nie sehr unternehmungslustig gewesen –, doch sowohl Martin als auch Christopher zog es nach Schottland zurück (wie Aale oder Lachse), und sie wohnten beide so weit wie möglich von ihr entfernt.
Christopher war Bausachverständiger in Borders, lebte über seine Verhältnisse mit seiner neurotischen, ständig nörgelnden Frau Sheena und den beiden überraschend netten Kindern im Teenageralter. Die geografische Distanz zwischen Martin und seinem Bruder war klein, aber sie sahen sich selten. Christopher war unangenehme Gesellschaft für ihn, es war etwas Gestelztes und Gekünsteltes daran, wie er sich durch die Welt manövrierte, als würde er andere Leute beobachten und glauben, er wirke sympathischer, authentischer, wenn er sie nachahmte. Martin hatte vor langer Zeit die Hoffnung aufgegeben, zu sein wie die anderen.
Weder für Martin noch für Christopher war das Haus in Eastbourne ein Zuhause, ihre Mutter hatte zu wenig Persönlichkeit, um dem Haus etwas Anheimelndes einzuflößen. Sie sagten immer,
Wann fährst du mal wieder zum Haus?,
als hätte das Haus mehr Charakter als ihre Mutter, und doch hatte es kaum etwas Unverwechselbares; alle paar Jahre wurde es in dem gleichen dezenten Biskuitton gestrichen, und danach dauerte es nicht lange, bis die Wände wieder das gewohnte Nikotingelb angenommen hatten. Seine Mutter war eine starke Raucherin, es war vielleicht ihre auffälligste Eigenschaft. Martin glaubte, dass die Hölle darin bestünde, für alle Ewigkeit einen verregneten Sonntagnachmittag im Haus seiner Mutter verbringen zu müssen – immer vier Uhr nachmittags im Januar, in der nicht gelüfteten Küche der Geruch von Beinscheibeneintopf. Rauchwolken, schwacher Tee, die zahnfleischzersetzende Süße eines Zuckerkuchens. Ständige Wiederholungen von
Inspektor Barnaby
auf Video.
Ihre Mutter war jetzt zittrig alt, machte
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