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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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kannte den Feldweg nicht, dabei musste er sich ganz in ihrer Nähe befinden. Nun wurde ein Foto des Opfers eingeblendet. Ein Gesicht, das Paula irgendwie bekannt vorkam. Sanfte blaue Augen, ein blonder Haarschopf, ein fröhliches Lächeln. Die Tote hieß Doreen Rost und war eine Hausfrau aus dem Ort gewesen. Paula stieg in ihren Arbeitsoverall, zog die warmen Stiefel an und ging in ihre Werkstatt hinüber. Sie musste heute unbedingt noch das Teeservice für Herrn Melcher fertigstellen, die Feinglasur auftragen und es anschließend in den Ofen schieben. Zum Glück war das ihr letzter Auftrag vor Weihnachten, danach würde Paula endlich etwas Zeit für ihr Experiment mit dem Speckstein haben. Paula pfiff vor sich hin, während sie die Glasur anrührte. Es war wirklich eine schöne Arbeit, die ihr hier gerade unter den Händen entstand. Hoffentlich würde Frau Melcher das auch so sehen, dann würde es ein gelungenes Weihnachtsfest werden und noch mehr leuchtende Augen in ihrer Nachbarschaft geben. Paula räumte gerade das Service in ihren Brennofen ein, als ihr plötzlich wieder einfiel, weshalb ihr diese Frau, die tot in der Nähe von Maschen aufgefunden worden war, so bekannt vorkam. Schnell rannte sie ins Haus hinüber, nahm ihre Tasche und eine Jacke von der Garderobe und machte sich auf den Weg zu ihrer Freundin Anna.
    In der Straße vor Paulas Haus war es nicht möglich, längere Zeit zu parken, ohne gesehen zu werden. In der Einfahrt sah Elsa einen Geländewagen stehen. Keinen chromverzierten wie den von Torsten, sondern einen alten. Sein trüber Lack und die mit Dreck verkrusteten Reifen deuteten darauf hin, dass er tatsächlich auch für unbefestigte Wege genutzt wurde. Elsa fuhr in eine Seitenstraße, stellte ihr Auto dortab und machte sich zu Fuß auf den Weg. Der Garten von Paulas Haus grenzte an ein Feld. Auch hier war nichts als flaches Land, aber weiter hinten befand sich ein Gebüsch, ein sogenannter Knick, der die einzelnen Felder voneinander abgrenzte. Er bot einen willkommenen Schutz für Elsa. Sie richtete sich hinter ihm ein und fand schon bald eine Stelle, von der aus sie das Haus gut im Blick hatte. Jetzt sah sie Paula durch den Hof in ein Nebengebäude gehen. Kurz darauf wurde dort das Licht und danach Musik eingeschaltet, die bis zu Elsa hinaus aufs Feld drang. Es war eine getragene Melodie, die ihr bekannt vorkam und auch gefiel, aber leider kannte sie sich mit klassischer Musik nicht aus. Soeben kam Paula mit einem Eimer in der Hand aus dem Schuppen heraus, hielt eine Kelle in der anderen Hand und rührte darin herum. Sie schien irgendetwas zu begutachten, das sich in diesem Eimer befand. Paula trug einen viel zu großen blauen Arbeitsoverall und dicke Bauarbeiterstiefel an den Füßen. Ihr Gesicht wirkte konzentriert, nun drehte sie sich der Sonne zu, die für einen Moment zwischen den dichten Winterwolken hervorgekrochen kam, und hielt die Kelle ins Licht. Farbe tropfte in den Eimer zurück, es war ein Ton zwischen Gelb und Orange, geradeso wie die Sonne. Paula lächelte. Sie schien mit ihrem Ergebnis zufrieden zu sein und verschwand erneut im Nebengebäude des Hauses. Auch Elsa lächelte. Ja, so wie Paula sollte man leben. Eine Arbeit finden, die einen erfüllte, ganz ohne irgendjemanden, der einem sagte, was man zu tun oder zu lassen hatte. In diesem Moment war sich Elsa sicher, dass sie mit ihrem Versuch, eine Freundin wie Paula zu finden, genau das Richtige tat. Plötzlich hörte sie, wie irgendwo auf dem Grundstück, eine Tür zugeschlagen wurde. Sofort nahm sie wieder ihr Fernglaszur Hand. Sie sah Paula über den Hof rennen, dann, wie diese im Wohnzimmer ihres Hauses etwas suchte und anschließend das Licht löschte. In Windeseile raffte Elsa ihre Sachen zusammen und lief zu ihrem Auto hinüber. Vorsichtig folgte sie Paulas Geländewagen, bis er schließlich nach einigen Minuten vor einem roten Backsteinhaus Halt machte.
    Obwohl es schon weit nach zehn an diesem Morgen war, traf Paula ihre Freundin Anna mit wirren Haaren, ungeschminkt und im Jogginganzug in der Küche sitzend an. Tom hatte Paula die Tür geöffnet, danach war er wortlos im Keller verschwunden.
    „Sieht nicht gerade nach Wochenendstimmung bei euch aus, oder?“
    Anna winkte ab und erklärte: „Wir haben uns wegen Ben gestritten. Tom hatte versprochen, ihm heute bei seinen Mathe- und Physikaufgaben zu helfen, will jetzt aber plötzlich nichts mehr davon wissen. Ihm ist wieder einmal seine Arbeit dazwischengekommen,

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