Liebeskind
die, wie du ja weißt, bei ihm fast immer an erster Stelle steht. Manchmal ist es echt schwer, es mit Tom auszuhalten. Aber sag mal, was treibt denn dich an diesem frühen Adventsvormittag zu mir?“
„Es geht um die tote Frau, die gestern ganz in meiner Nähe im Wald gefunden worden ist, Anna. Den ganzen Morgen denke ich schon darüber nach, woher ich sie kenne, und gerade vorher ist es mir wieder eingefallen. Doreen Rost ist damals auch in meine Parallelklasse gegangen, genau wie Torsten und Rainer.“
Anna schenkte Paula einen Kaffee ein.
„Danke, aber das wissen wir bereits. Und da sie darüber hinaus auch noch auf ähnliche Weise mit einem Messer im Gesicht verstümmelt worden ist wie Rainer Herold, gehenwir mittlerweile auch in allen drei Mordfällen von ein und demselben Täter aus. Paula, denk um Gottes willen noch einmal nach. Hier ist jemand zu Werke gegangen, der mit der Vergangenheit der drei Toten etwas zu tun haben muss. Und ein Teil dieser Vergangenheit bist auch du.“
„Was glaubst du eigentlich, womit ich mich die letzten Tage beschäftigt habe? Ich habe sogar die ganzen alten Fotos von damals hervorgekramt, aber ich kann mich beim besten Willen an niemanden erinnern.“
„Übrigens bin ich deiner Anregung gefolgt, weshalb wir die Suche nach dem Täter jetzt auch auf Mitschüler ausgeweitet haben, die nur in der Mittelstufe mit Rainer und Torsten in eine Klasse gingen. Ich versuche gerade, Kontakt zu ihrem früheren Lehrer herzustellen. Hoffentlich gelingt es mir morgen, auf diese Weise noch mehr herauszufinden.“
Anna nippte an ihrem Kaffee, anschließend setzte sie den Becher ab und starrte nachdenklich in die ölige, dunkle Flüssigkeit.
„Du, Anna, ich kenne den Torsten Lorenz von früher her sehr viel näher, als ich dir bisher erzählt habe. Dieser Mistkerl hätte mir seinerzeit fast das Herz gebrochen. Kaum zu glauben, wie verliebt ich einmal in den gewesen bin. Damals habe ich alles für ihn getan, auch Dinge, an die ich mich heute gar nicht mehr gern erinnere.“
„Was denn zum Beispiel?“
Paula grinste schief.
„Na ja, ich habe Automaten aufgebrochen, alle möglichen Leute belogen, um mit ihm zusammen zu sein, meine Eltern beklaut, Häuserwände und Autos beschmiert, die ganze Palette eben. Alles nur, um Torsten zu beeindrucken.“
„Das hast du wirklich gemacht?“
„Vergiss es.“
Anna überlegte.
„Hättest du damals unter Umständen auch eine Konkurrentin ausgeschaltet oder aber ihr einen bösen Streich gespielt?“
„Ich weiß nicht, worauf du hinaus willst.“
„Wenn Torsten Lorenz wirklich ein so hübscher Kerl gewesen ist, um den sich die Mädels gezankt haben, und Rainer Herold sein bester Freund, dann könnte Doreen Rost früher vielleicht eine Nebenbuhlerin unserer unbekannten Schönen gewesen sein.“
Vor dem Haus war es plötzlich laut geworden. Ben war mit ein paar anderen Jungen von seinem morgendlichen Eishockeyspiel zurückgekommen, und zusammen lärmten sie nun in der Einfahrt. Kurz darauf wurde Annas Haustür geöffnet, und das laute Gelächter der Jungen setzte sich im Flur fort.
„Jemand da?“, rief Ben durch das Haus.
„Wir sind in der Küche“, antwortete Paula und nahm Ben, als er daraufhin zur Tür hereinkam, herzlich in die Arme.
„Klasse, dass wir uns noch mal sehen, mein Großer, bevor diese ganze Feierei losbricht. Worauf freust du dich denn am meisten?“
„Darauf, für ein paar Tage endlich mal meine Ruhe zu haben“, entgegnete Ben vorwitzig.
„Ja, so ähnlich geht es mir auch.“ Paula stand auf und nahm ihre Tasche in die Hand. „Jetzt muss ich aber los, nach dem Brennofen schauen.“
Während Anna die Kaffeebecher in die Spülmaschine einräumte, warf sie Ben einen aufmunternden Blick zu.
„Ich habe übrigens noch einmal mit Papa gesprochen und soll dir ausrichten, dass er heute Abend ganz bestimmt mit dir üben wird.“
„Aber um kurz nach acht gibt es einen guten Film auf RTL. Außerdem bin ich dann viel zu kaputt zum Lernen.“
„Es geht leider nicht anders, Ben. Komm, lass uns noch einen Kakao zusammen trinken, danach muss ich leider noch ins Büro fahren und arbeiten. Wenn du willst, kannst du dir zum Ausgleich dafür heute Abend aber mit Paul eine Pizza bestellen.“
Elsa hatte ein weiteres Mal ihren Aufenthaltsort gewechselt. Jetzt wohnte sie in einer kleinen Pension ein paar Dörfer von Maschen entfernt, brauchte wegen des Autobahnanschlusses vor Ort aber nicht länger als zehn Minuten, um vor
Weitere Kostenlose Bücher