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Liebeskind

Liebeskind

Titel: Liebeskind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Westendorf
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tuscheln, kichern, sich lustig machen über alles, was an ihnen vorbeiflog. Bis Doreen mit dem Reiten anfing und dafür das Turnen aufgab. Der Unterricht fand in einem anderen Dorf statt, in das es keine Busverbindung gab. Außerdem kosteten die Reitstunden viel zu viel Geld. Die Eltern der schwarzen Lackschuhbesitzerinnen konnten sich das leisten, und so waren sie es nun, die ihre Nachmittage bei Doreen verbrachten. Jetzt durften die schwarzen Lackschuhträgerinnen den heißen Kakao von Frau Possel trinken und sich über die klein zurechtgeschnittenen Obststücke hermachen.
    Zuletzt hatte Elsa noch einen Versuch gestartet, alles wieder so schön werden zu lassen, wie es noch bis vor ein paar Wochen gewesen war. Sie hatte Doreen vor dem Haus abgefangen und sich eine beeindruckende Rede zurechtgelegt. Aber als die beiden dann so voreinander gestanden hatten und Elsa spürte, wie sich Doreen an einen ganz anderen Ort wünschte, da hatte sie ihr eine gelangt. Doreen hatte sich die Wange gerieben. Jetzt verband sie, wenn auch nur für kurze Zeit, an der gleichen Stelle ein roter Fleck. Als sich Doreen umdrehte, sagte sie kein einziges Wort, und Elsa starrte ihr grimmig hinterher. Ein Wunder, dass die Heulsuse nicht zu flennen angefangen hatte. Stattdessen fing sie nun selbst zu weinen an. Nur Elsa hatte allen Grund dazu.
    „Gute Nachrichten.“
    Tom schnappte sich die hellblaue Wolldecke und warf sie zu Anna hinüber.
    „Übermorgen wird der neue Kessel eingebaut. Kannst du dir freinehmen?“
    Anna überlegte, wie sie ihm beibringen sollte, dass das unmöglich war.
    „Was ist denn mit Elisabeth?“, fragte sie daher diplomatisch.
    „Deine Mutter fährt morgen mit ihrem neuen Nachbarn in den Bayerischen Wald. Ich wundere mich, dass du dasvergessen hast, wo sie uns doch schon seit Wochen jeden Tag damit nervt. Ein paar Stunden würden reichen, ich könnte ab Mittag übernehmen.“
    Tatsächlich hatte Anna bereits länger nicht mehr an Elisabeth gedacht. Und wenn ihre Mutter begann, von Herrn Horn zu erzählen, dem netten Klavierspieler, der in die Wohnung über ihr eingezogen war, schaltete sie sogleich auf Durchzug. Warum eigentlich?
    „O. k., aber um zwölf muss ich weg. Du hast Recht, ich werde Elisabeth nachher anrufen und ihr viel Spaß wünschen.“
    Jetzt krabbelte Anna auf Toms Sofa hinüber und versuchte, unter Einsatz ihres Ellenbogens, genügend Platz neben ihm zu schaffen.
    „Aua, du bist genauso penetrant wie unser Hund.“
    Tom rieb sich die Schulter, grinste und nahm sie in den Arm.
    „Aber schön.“
    Endlich wurde Anna warm, sie schloss die Augen. Gemeinsam genossen sie die Stille, zu ihrer Freude wummerte gerade einmal keine laute Hip-Hop-Musik aus dem oberen Stockwerk.
    Fast wäre sie eingeschlafen, als Toms Stimme sie wieder in die Gegenwart zurückholte.
    „Jan ist nicht glücklich bei Tottenham, Anna. Er überlegt, nach Hamburg zurückzukommen. In der Mannschaft ist kein Zusammenhalt, zu viele Legionäre, meint er.“
    „Tut mir leid für ihn.“
    Sie schloss ihre Augen und wollte sich erneut an ihn schmiegen, aber Toms Brust war hart geworden wie Beton. Ende der Gemütlichkeit. Überdies rappelte er sich jetzt hoch und nahm einen Apfel aus der Obstschale. Doch anstatthineinzubeißen, ließ er die rotleuchtende Frucht wie einen kleinen Ball zwischen seinen Händen hin und her rollen.
    „Was wird sein, wenn er wieder in Hamburg lebt?“
    „Für uns bleibt alles, wie es ist, mach dir keine Sorgen. Wo steckt Ben eigentlich?“
    Das möblierte Apartment war gar nicht so schlecht, unter anderen Umständen hätte es sich hier gut aushalten lassen. Trotzdem, Elsa durfte nicht länger als ein paar Tage bleiben. Sie musste ihre Aufenthaltsorte ständig wechseln, ihre Spuren verwischen. Niemand sollte wissen, dass sie in der Gegend war.
    Ihre Kopfschmerzen waren über Nacht mit voller Intensität zurückgekehrt. Elsa nahm eine Tablette aus der roten Schachtel und legte sich aufs Bett. Vorhin hatte sie das Holzkästchen aus der Fabrik hervorgeholt, jetzt lag es neben ihr. Die Augen wegen der stechenden Schmerzen zusammengekniffen, konnte sie es nur ertasten. Sanft streichelte Elsa über seine glatt polierte Oberfläche. War es ein Fehler gewesen, es mitzunehmen? Wenn nun jemandem auffiele, dass einer der Kästen fehlte? Na und, dann wussten sie noch immer nicht, dass sie es genommen hatte. Zum Glück waren außerdem keine weiteren Aufrufe mehr in der Zeitung erschienen. Sie war gesucht worden, wenn

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