Liebeskuenste
hält, will ich den Fahrpreis bezahlen, doch der Fahrer winkt ab und murmelt etwas wie »Schon erledigt!« in meine Richtung.
Todmüde und leicht schwankend steige ich die wenigen Stufen zu meinem kleinen Apartment hinauf. Als ich die Wohnung betrete, gilt mein erster Blick dem Anrufbeantworter. Doch kein rotes Lämpchen blinkt zum Zeichen, dass unbeantwortete Anrufe auf mich warten
»Wie blöd bist du eigentlich?« schimpfe ich mit mir selbst. »Kaum hat dir der Schweinehund einen Tritt versetzt, verlangst du schon nach dem nächsten! Schlag dir diesen Blender ein für alle Mal aus dem Kopf, Gina Theiß!«
Diesmal berausche ich mich nicht an Romans Duft, der noch schwach an meiner Haut haftet, sondern spüle ihn ganz unsentimental unter der Dusche ab. Ich schlüpfe in meinen schlabbrigen Baumwollpyjama, schlurfe in die Küche und stöbere in den Schränken nach einem Stück Trostschokolade. Ganz hinten im Hängeschrank finde ich einen schon etwas angetrockneten Schokoriegel, den ich mit ins Bett nehme. Nach dem ersten Bissen fallen mir vor Erschöpfung die Augen zu, und mit der Schokolade in der Hand schlafe ich ein. Das ist das Ende eines so sehr ersehnten, aber völlig verunglückten Dates.
Am nächsten Morgen weckt mich das Gefühl von etwas Warmem, Klebrigem auf Gesicht, Hals und Händen. Ich bin auf dem Schokoriegel eingeschlafen, dessen geschmolzene Zähigkeit nun überall an mir klebt.
Angeekelt und mit einem tierischen Brummschädel springe ich aus dem Bett und direkt unter die Dusche, während ich mir schwöre, in Zukunft auf jegliche Form von Alkohol, selbst auf Champagnertrüffel, zu verzichten. Da ich es nicht gewohnt bin zu trinken, haben mir die beiden doppelten Cognac gestern Abend den Rest gegeben. Und das alles wegen einem Mann!
»Nicht schon wieder über Roman und seine Schrullen nachdenken«, ermahne ich mich grimmig.
Ich föhne meine Mähne, bis sie mir seidig glatt über die Schultern fällt, schminke mich mit besonderer Sorgfalt und gönne mir den Luxus, meine Haut von Kopf bis Fuß mit Verbene-Lotion zu verwöhnen. Der würzig-frische Duft belebt mich, hebt meine Laune und verscheucht die wirren Gedanken. Nein, heute keine Jeans mit weißem Blüschen! Heute steige ich in ein zartes Spitzenhöschen und mein blaues Armani-Kostüm, das so perfekt mit meiner Augenfarbe harmoniert. Darunter trage ich ein gewagtes Bustier, das ich bisher nur einmal bei einem Mädchenabend angelegt habe. Damals haben mich meine Freundinnen mit einer Menge anerkennender Pfiffe und schlüpfrigen Kommentaren belohnt.
An diesem Morgen verhelfen mir Schminke und schicke Kleidung zu mehr Selbstvertrauen und einem geschäftsmäßigen Aussehen. Apropos Geschäft. In Zukunft werde ich mich mehr um die Galerie kümmern und Karen entlasten, wo ich nur kann, nehme ich mir vor. In letzter Zeit habe ich mich zu intensiv um mein chaotisches Liebesleben und zu wenig ums Business gekümmert. Ab sofort wird sich das ändern! Langsam muss ich mich daran gewöhnen, dass mein Studentenleben beendet ist und ich meine Brötchen als Geschäftsfrau verdiene.
Ich setze mich an den Schreibtisch und stelle eine Liste mit Dingen zusammen, die ich in nächster Zeit in Angriff nehmen möchte. Neue Kunden akquirieren, alte Geschäftsverbindungen pflegen, mich mit verschiedenen Agenturen kurzschließen, für effektive Werbung sorgen. Ich bin so vertieft in meine Arbeit, dass ich alles um mich herum vergesse. Als das Telefon klingt, schrecke ich hoch.
»Sag mal, lebst du noch? Wo bleibst du denn? Lässt du dich eigentlich gar nicht mehr hier blicken?« Karens Stimme klingt vorwurfsvoll.
»Bin schon unterwegs! In einer Viertelstunde bin ich in der Galerie!«, rufe ich, während ich mir Jacke und Tasche schnappe.
Als ich meinen VW-Käfer aufschließe, schießt mir prompt der Gedanke an Romans luxuriöses Porsche-Cabrio durch den Kopf. Was für ein Unterschied zu meiner rostigen, aber geliebten Studentenkarre! Ein wenig mehr Komfort in meinem neuen Leben wäre wirklich schön. Wenn erst die Galerie gut läuft, werde ich mir etwas gönnen.
Beschwingt durch meine Ideen und Pläne schlängele ich mich durch den Mittagsverkehr auf der Leopoldstraße Richtung Norden. Bei dem sonnigen Wetter sind um diese Zeit die Straßen- und Eiscafés gut besucht, Grüppchen asiatischer Touristen wandern, mit Kameras und Fotoapparaten bewaffnet, zwischen den Tischen umher und knipsen alles, was ihnen vor die Linse kommt. Die üblichen Verdächtigen sitzen,
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