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Liebeskuenste

Liebeskuenste

Titel: Liebeskuenste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cara Bach
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aber ich habe Sie leider nicht angetroffen. Heute bin ich noch den ganzen Tag in München. Hätten Sie vielleicht Lust, mir beim Mittagessen Gesellschaft zu leisten? Ich kenne hier nur wenige Leute, und außerdem habe ich keine Lust auf Small Talk.«
    »Sehr gerne«, beeile ich mich zu versichern.
    »Wählen Sie doch ein Lokal aus. Ich kenne München nicht besonders gut, deshalb verlasse ich mich auf Ihren Rat.«
    »Wie wäre es mit dem Café ›Schnittchen‹? Dort gibt es die leckersten Canapés und den besten Kaffee der Stadt. Oder möchten Sie lieber …«
    »Nein, nein!«, unterbricht mich Xenia lachend. Canapés und Finger-Food sind genau das Richtige. Sagen Sie mir noch die Adresse, wir treffen uns dort in fünfundvierzig Minuten.«
    Sie notiert sich die Anschrift und legt auf. Ich kann mein Glück kaum fassen. Gleich werde ich mich mit einer der bekanntesten Künstlerinnen unserer Tage treffen, und vielleicht springt tatsächlich ein Auftrag für mich dabei heraus.

    Bereits fünf Minuten vor der Zeit sitze ich im Garten des Cafés ›Schnittchen‹. Während meiner Studienzeit war es mein Stammlokal. Wie viele Stunden haben Karen und ich hier verbracht, unzählige Tassen Cappuccino geleert, uns die Köpfe heißgeredet und auf Klausuren vorbereitet. Der kleine Hinterhofgarten mit seinen vier Tischen und zwei Sonnenschirmen war zu unserem zweiten Wohnzimmer geworden; an Regentagen saßen wir drinnen, den Rücken an den Kachelofen gedrückt, ein Buch auf den Knien, und lernten.
    Ein markiges »Servus!« unterbricht meine Erinnerungen. Ich schaue hoch. »Du warst ja scho’ lang nimmer bei uns.«
    »Hallo, Karl«, begrüße ich den Kellner. Wir kennen uns noch aus der Uni. Karl war ein paar Semester über mir, der Typ ›Ewiger Student‹. Seit ich ihn kenne, kellnert er im ›Schnittchen‹.
    Mit einer Serviette fährt er einige Male nachlässig über den Tisch, dann fragt er: »Was darf’s denn sein?«
    Ich winke ab, vertröste ihn auf später und warte, bis er zurück ins Lokal schlurft. Kaum hat Karl den Tisch verlassen, als eine Frau den Garten betritt und sich suchend umschaut. Xenia! Sie ist klein, zierlich und knabenhaft schlank, die Kleidung leger, aber teuer. Wenn ich mich nicht täusche, ist die Fotografin Anfang fünfzig, doch sie ist schwer einzuschätzen.
    Ich erhebe mich, als sie an den Tisch kommt und mich fragend ansieht. »Frau Theiß?« Es ist die mädchenhafte Stimme, die ich bereits vom Telefon kenne.
    Ich reiche ihr die Hand; ihre fühlt ist so klein und zerbrechlich wie die eines Kindes an.
    Sie nimmt Platz, und wir mustern einander. Bei mir ist es Sympathie auf den ersten Blick, und ich glaube, dass es ihr genauso geht, denn ihr Lächeln ist herzlich und liebenswert.
    Als Karl das nächste Mal vorbeikommt, bestellt Xenia Reiberdatschi mit Lachs und ich einen doppelten Milchkaffee. Mein Magen ist vor Nervosität wie zugeschnürt, deshalb verzichte ich auf die üblichen Käseschnittchen mit Paprika.
    Während sie mit Appetit ihr Essen verzehrt, unterhalten wir uns.
    »Ich hatte nicht ein so junges Mädchen erwartet. Wie alt sind Sie eigentlich? Darf ich Sie Gina nennen?«
    »Aber natürlich, das ist mir sogar lieber als das förmliche ›Frau Theiß‹. Vor zwei Monaten bin ich vierundzwanzig geworden.« Ich erröte ein wenig und schäme mich für mein albernes Verhalten. Als ob mir mein jugendliches Alter peinlich sein müsste!
    »Wie kommt eine Frau Ihres Alters dazu, eine Galerie zu führen?«
    Xenias Interesse scheint echt zu sein, deshalb erzähle ich ihr vom Tod meines Patenonkels, von meiner überraschenden Erbschaft, dem Abbruch des Studiums und meiner Arbeit in der Galerie. Ich erwähne auch, dass ich lieber mein Kunststudium abgeschlossen hätte, aber dies nun nicht mehr möglich ist, weil das Geschäft mich völlig in Anspruch nimmt.
    Sie hört mir aufmerksam zu, ohne mich ein einziges Mal zu unterbrechen. Als ich meine Geschichte beendet habe, meint sie: »Das ist ein außergewöhnlicher Werdegang. Sie machen auf mich aber einen durchaus reifen, gefestigten Eindruck, und ich darf Ihnen sagen, dass ich Sie ausgesprochen sympathisch finde. Ihre fachliche Kompetenz müssen Sie mir natürlich erst noch beweisen«, fügt sie geradeheraus hinzu. »Wie Sie sich sicher denken können, bin ich auf der Suche nach einem geeigneten Ort für eine Vernissage. Ein Freund hat mir Ihre Galerie empfohlen und Sie und Ihre Fachkenntnisse gelobt. Er schien sehr von Ihnen eingenommen zu sein, aber

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