Liebeskuenste
die Augen hinter verspiegelten Sonnenbrillen versteckt, vor ihren Cappuccinotassen. Dass es im Straßencafé angenehmer ist als im Hörsaal, haben die meisten Studenten schon nach kürzester Zeit erkannt. Deshalb leiden die Lokale rund um die Universität auch nie unter Gästemangel.
Kurz vor der Münchner Freiheit biege ich nach links ab und beginne mit der Parkplatzsuche. Diesmal habe ich Glück, denn vor mir fährt der weiße Kombi eines Lieferservice aus einer Lücke. Schnell parke ich ein.
Bevor ich die Galerie betrete, werfe ich noch einen kurzen Blick ins Fenster und betrachte mein Spiegelbild. Hm, gar nicht so übel. Der »Lady-Look« steht mir, besser jedenfalls als Jeans und T-Shirt.
»Hi, Karen! Ich bin da!«, rufe ich in die Stille der Galerie hinein, obwohl das melodische Klingeling der Türglocke nicht zu überhören ist.
»Ah, Frau Chefin gibt sich die Ehre … Na endlich!« Karens Zotteln leuchten heute röter denn je. »Du wirst nie im Leben erraten, wer bis vor zehn Minuten hier war?«
Mein Herz setzt einen Schlag aus. Roman! Er war hier, um mich zu sehen!
»Stell Dir vor, Xenia kam vorbei! Die Xenia in unserer Galerie, kannst du dir das vorstellen? Also, ich bin vor Aufregung ja beinahe ohnmächtig geworden«, plappert Karen weiter. »Aber sie ist unglaublich nett, kein bisschen arrogant oder abgehoben, wie sie in der Presse immer beschrieben wird. Sie wollte dich sprechen. Hier ist ihre Telefonnummer, du sollst sie unbedingt anrufen.«
Ich schlucke meine Enttäuschung hinunter und starre auf den Zettel, auf dem die Zahlen vor meinen Augen tanzen. Xenia, die berühmteste deutsche Fotografin, die sich vor allem darauf versteht, die Reichen und Schönen ins beste Licht zu setzen. Ihre Arbeiten werden für astronomische Summen gehandelt; sie selbst gilt als presse- und öffentlichkeitsscheu.
»Hat sie dir gesagt, was sie hier wollte?« Meine Stimme klingt wegen der soeben zerplatzten Hoffnung ein wenig heiser.
»Nicht direkt, aber ich glaube, sie denkt darüber nach, ihre Fotos auszustellen. Vielleicht sogar hier bei uns!« Karen ist außer sich vor Begeisterung. »Ruf sie doch gleich an. Dann wissen wir, ob ich mit meiner Vermutung recht habe. Weiß du eigentlich, was das für die Galerie bedeuten würde? Durch Roman Hagen und Xenia wäre die Galerie mit einem Schlag überall bekannt! Wir müssten uns nie mehr Gedanken um Aufträge machen!«
Sie hat recht. Wenn Xenia wirklich eine Ausstellung plant, und das in meiner Galerie, wäre das eine Chance, wie sie sich nur einmal im Leben bietet.
An der Tür unseres Mini-Büros bleibe ich stehen. Auf dem Tisch steht ein Blumenstrauß, nein, ein derart riesiges Bukett, das es ein Viertel des Raumes ausfüllt.
»Ach ja, das hab ich ganz vergessen. Die wurden gerade für dich abgegeben. Du müsstest den Lieferanten draußen noch gesehen haben«, ruft mir Karen über die Schulter zu.
Der weiße Lieferwagen, ich erinnere mich.
Ich umrunde das Gebinde aus unzähligen Rosen und duftigem Schleierkraut. Versteckt in seinen Tiefen finde ich ein Kärtchen, das ich hastig aufreiße.
»Verzeihst Du mir?«, lese ich.
Kein Name, kein Absender. Aber ich weiß auch so, wer mir diese Blumen schickt. Wie bei allem anderen ist Roman auch hier maßlos und extrem. Den Aufwand hätte er sich allerdings schenken können; ein Anruf, eine Erklärung hätten mir genügt. Die Blumen sind wunderschön, aber von Herzen freuen kann ich mich darüber nicht. Diese Art der Entschuldigung ist mir zu unpersönlich, zu einfach.
Ich nehme den Strauß samt Vase und schleppe sie in den Verkaufsraum, wo ich sie im Fenster platziere. Was für ein Blickfang! Jeder, der an der Galerie vorübergeht, kann nicht umhin, einen Blick auf dieses vielfarbige Rosenmeer zu werfen.
Als ich Xenias Nummer wähle, meldet sich erst einmal niemand. Ich lasse es weiterklingeln, bis endlich am anderen Ende abgehoben wird. »Ja, hallo?«, höre ich eine mädchenhaft junge Stimme.
»Guten Tag. Mein Name ist Gina Theiß. Kann ich bitte mit …«, ich stutze. Soll ich sie einfach Xenia nennen? Ohne Nachnamen? Das klingt sicher zu familiär.
»Gina Theiß? Sie sind die Eigentümerin der Galerie »Bell’ Arte?« Sie lacht leise; es klingt sehr angenehm. »Schön, dass Sie sich so schnell bei mir melden.«
»Meine Mitarbeiterin sagte mir, dass Sie … heute Vormittag in der Galerie waren«, stammele ich verlegen.
»Das stimmt. Ich hätte Sie gerne persönlich kennengelernt und mit Ihnen gesprochen,
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