Liebeskuenste
aufzuhalten, doch ich stoße seine Hand zurück. Es gelingt mir, mit einem Rest von Würde das Schlachtfeld zu verlassen, begleitet vom aufgeregten Getuschel der Schaulustigen.
Draußen hält soeben ein Streifenwagen, und zwei Polizisten in Uniform stürzen an mir vorbei in das Lokal.
Verstört laufe ich eine Weile ziellos durch die Straßen. In meinem Kopf hämmert und dröhnt es, und immer wieder höre ich Naomis Stimme: »Ich bekomme ein Kind von ihm!« Mein Magen krampft sich zusammen, und mir wird schlecht.
Eigentlich sollte ich längst wieder in der Galerie sein; Karen wartet sicher auf mich. Doch ich fühle mich nicht in der Lage, jetzt irgendeinen Menschen zu sehen oder zu sprechen.
Am liebsten würde ich mich verkriechen und in Ruhe über das soeben Erlebte nachdenken, bei dem ich in eine nicht unerhebliche Rolle gedrängt wurde.
Obwohl es erst Nachmittag ist, mache ich mich auf den Nachhauseweg. Von unterwegs rufe ich Karen an, um ihr zu sagen, dass ich heute nicht mehr in die Galerie komme, weil ich mich krank fühle. Und das ist nicht einmal gelogen. Meine Stirn fühlt sich fiebrig an, Schüttelfrost überzieht meinen Körper, meine Hände fühlen sich an wie Eis.
Als ich in meinem Apartment ankomme, bin ich schweißgebadet. Ich reiße mir die Kleider vom Leib, stelle mich unter die Dusche und lasse mich berieseln, bis das heiße Wasser aufgebraucht ist. Dann schlüpfe ich in ein reichlich abgetragenes Sweatshirt sowie Baumwollpantys und durchstöbere die Küche nach Süßigkeiten. Zum Glück war ich erst vor wenigen Tagen einkaufen, deshalb finde ich noch eine Packung Butterkekse und einen Rest Schokolade im Schrank. Damit verziehe ich mich aufs Sofa. Heißhungrig verschlinge ich die Naschereien, nur um mich hinterher noch elender zu fühlen.
Als ich mir soeben den letzten Keks in den Mund schieben will, klingelt das Telefon. Da ich keine Lust habe abzuheben, warte ich, bis der Anrufbeantworter anspringt.
»Gina, Liebes? Bist du zu Hause?« Roman ist ungewohnt kleinlaut. »Ich war schon in der Galerie und wollte dich sprechen, aber deine Mitarbeiterin wusste nicht, wo du steckst. Bitte melde -«
Klick! Mit einem Knopfdruck unterbreche ich die Ansage. Nein, ich werde mich ganz bestimmt nicht bei dir melden, du hinterhältiger Lügner! Noch immer dröhnen Naomis hysterische Anschuldigungen in meinen Ohren, noch immer sehe ich ihr wutverzerrtes Gesicht und Romans fassungslose Miene vor mir. Fast wäre ich auf ihn und seine heuchlerischen Liebesbeteuerungen hereingefallen. So sehr habe ich mir diese Beziehung mit ihm gewünscht, dass ich bereit war, alles zu glauben und über alle Ungereimtheiten hinwegzusehen. Nun fühle ich mich ausgenutzt und betrogen, denn für ihn war ich sicher nie mehr als ein Lückenbüßer, der immer für seine exzentrischen Sexualpraktiken zur Verfügung stand.
Hatte ich nicht schon länger den Verdacht, dass noch eine andere Frau im Spiel wäre? Doch ich war einfach zu blind, um die Wahrheit zu erkennen. Spätestens nach dem missglückten Abendessen am Ammersee hätte ich anfangen sollen nachzudenken.
Vielleicht sitzen Naomi und Roman ja gerade einträchtig auf Silvanos Terrasse beisammen und lachen über meine Gutgläubigkeit. Da ich mittlerweile Romans Vorliebe für Rollenspiele kenne, überlege ich, ob die beiden nicht vielleicht dieses Spiel des »Ertapptwerdens« schon seit langem und mit häufig wechselnden Partnern spielen. Es ist durchaus möglich, dass sie auf diese Weise ihrer jahrelangen Beziehung den nötigen Kick verschaffen. Bei diesem Gedanken dreht sich mir der Magen um.
Während ich mich mit solchen und ähnlichen Gedanken quäle, klingelt das Telefon ohne Unterlass. Schon längst habe ich den Anrufbeantworter ausgeschaltet, aber das scheint den Anrufer nicht zu stören; unverdrossen versucht er weiterhin, mich zu erreichen. Schließlich habe ich genug von diesem Telefonterror. Als das Klingeln aufhört, nehme ich den Hörer ab und lege ihn neben den Apparat. Endlich ist es still; ich lege mich hin, ziehe mir die Decke über den Kopf und versuche zu schlafen, obwohl es erst früher Abend ist.
Nach einer unruhigen Nacht erwache ich am nächsten Morgen müde und schlecht gelaunt. Als ich auf meinen Wecker schaue, springe ich auf. Fast neun Uhr! Karen wartet bestimmt schon auf mich.
Mir bleibt keine Zeit, mich schick zu machen. Mit noch feuchter Haut und Haaren springe ich in Jeans und T-Shirt, schlüpfe in meine ausgetretenen Sneakers, knalle die
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